Aktuelles Insolvenzrecht

Insolvenzsicherung für Kfz-Haftpflichtversicherung

Zur Umsetzung der Neufassung der EU-Kfz-Haftpflicht-Richtlinie [(EU) 2021/2118] sieht ein am 27. März 2023 publizierter Referentenentwurf u.a. die Einführung eines Insolvenzfonds zur Absicherung des Risikos der Insolvenz des Haftpflichtversicherers vor. Die Aufgaben des Insolvenzfonds werden dem von den deutschen Kfz-Haftpflichtversicherern schon heute getragenen Verkehrsopferhilfe e.V., der bereits die Stellung als Entschädigungsfonds und Entschädigungsstelle nach dem Pflichtversicherungsgesetz innehat, zugewiesen. Zudem werden die Regelungen der bisherigen nationalen Insolvenzsicherung (§ 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 PflVG a.F.) nach Möglichkeit fortgeführt. Dies gilt insbesondere für die Subsidiarität des Insolvenzfonds gegenüber anderen Leistungspflichtigen (insbesondere andere Schadenversicherer, Sozialversicherungsträger, Amtshaftung). Weitere Fälle von Entschädigungspflichten der bisherigen nationalen Absicherung werden beibehalten. Durch Vorgaben an die Finanzierung der Verkehrsopferhilfe (§§ 8b und 27 PflVG n.F.) und die Genehmigung ihrer Satzung sowie die laufende Aufsicht zur Finanzierung (§ 25 PflVG n.F.) wird sichergestellt, dass die Verkehrsopferhilfe im Rahmen satzungsmäßiger Leistungen ausreichende Mittel der in Deutschland zugelassenen Kfz-Haftpflichtversicherer verfügbar machen kann.

EU-Richtlinienentwurf zur Teilharmonisierung der nationalen Insolvenzrechte

Am 7. Dezember 2022 hat die EU-Kommission den Entwurf einer Richtlinie zur Harmonisierung verschiedener Aspekte des Insolvenzrechts (COM(2022) 702 final) veröffentlicht. Gegenstand der Harmonisierung werden danach zunächst nur oder immerhin folgende Regelungskomplexe: die Etablierung von Mindeststandards für die Insolvenzanfechtung (Artt. 4 – 12), die Erleichterung der Ermittlung massezugehöriger Vermögenswerte durch verbesserten Zugang zu Informationen und Registern (Artt. 13 – 18), Regelungen zu einer vor der Verfahrenseröffnung vorbereiteten übertragenden Sanierung (Artt. 19 – 35), die Einführung einer Insolvenzantragspflicht für juristische Personen und die Haftung der Geschäftsleiter bei Insolvenzverschleppung (Artt. 36 – 37), ein stark vereinfachtes Eigenverwaltungsverfahren für die Liquidation insolventer Kleinstunternehmen (Artt. 38 – 57), der Gläubigerausschuss (Artt. 58 – 67) sowie die verbesserte Zugänglichkeit von Informationen über die nationalen Insolvenzrechte (Art. 68). Die Richtlinie wird nach ihrem Inkrafttreten (2024?) der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedürfen, wofür diesen eine Frist von weiteren zwei Jahren gewährt werden wird (Art. 71).

 

Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG)

Die Bundesregierung hatte am 5. Oktober 2022 vorgeschlagen, im COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz  –  das zugleich in „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz – SanInsKG)“ umbenannt wird  –  vorzusehen, dass die Prognose- und Planungszeiträume der §§ 19 II 1, 270a I Nr. 1 InsO und des § 50 II Nr. 2 StaRUG jeweils auf 4 Monate verkürzt werden (§ 4 II SanInsKG). Zugleich soll die Höchstfrist für die Antragstellung bei Überschuldung von sechs auf acht Wochen verlängert werden (§ 4a SanInsKG). Beide Regelungen sollen bis zum Jahresende 2023 gelten. Wichtig ist jedoch, dass bereits ab dem 1. September 2023 der ursprüngliche Prognosezeitraum von 12 Monaten wieder relevant werden kann, wenn absehbar ist, dass auf Grundlage der ab dem 1. Januar 2024 wieder auf einen 12-monatigen Zeitraum zu beziehenden Prognose eine Überschuldung bestehen wird. Das auf dieser Grundlage neu gefasste SanInsKG ist am 9. November 2022 in Kraft getreten.

Neuregelung der Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht

Der Bundestag hat am 25. Juni 2021 das Gesetz über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften beschlossen. Hierdurch soll das Insolvenzsicherungssystem für Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen grundsätzlich neu geregelt werden. Das Gesetz ist am 1.7. 2021 in Kraft getreten und bis zum 1.11.2021 umzusetzen.

Die Neuregelung sieht u. a. folgende Eckpunkte vor:

Insolvenzsicherung über einen Reisesicherungsfonds
Die Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen soll künftig über einen Reisesicherungsfonds erfolgen. Lediglich für kleine Unternehmen mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz von weniger als 10 Millionen Euro bleibt eine Absicherung außerhalb des Fonds, beispielsweise mittels einer Versicherung oder Bürgschaft, zulässig. Für alle anderen Reiseveranstalter – also für Reiseveranstalter mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz ab 10 Millionen Euro – gilt, dass diese einen Absicherungsvertrag mit dem Reisesicherungsfonds abschließen müssen. Voraussetzung ist wie nach geltendem Recht, dass der jeweilige Reiseveranstalter gesetzlich zur Insolvenzsicherung verpflichtet ist. Das ist der Fall, wenn er Vorauszahlungen fordert oder annimmt und/oder der Pauschalreisevertrag eine Rückbeförderung des Reisenden umfasst. Der Reisesicherungsfonds gewährleistet dann im Verhältnis zum Reisenden die Erfüllung der Pflichten des Reiseveranstalters zur Erstattung der Vorauszahlungen und zum Rücktransport der Reisenden. Die neuen Regelungen gelten entsprechend auch für Vermittler verbundener Reiseleistungen.

Fondsvermögen
Das Fondsvermögen muss künftig die Insolvenz des umsatzstärksten Reiseanbieters sowie eines weiteren Reiseanbieters mittlerer Umsatzgröße abdecken. Es müssen jedoch immer mindestens 15 Prozent des Gesamtmarktes abgedeckt sein. Liegt die Summe der Marktanteile des größten und des mittleren Reiseanbieters darunter, ist die Mindestabdeckung von 15 Prozent maßgeblich. Der mögliche Maximalverlust im Insolvenzfall wird mit 22 Prozent des Umsatzes angenommen, den ein abgesicherter Reiseanbieter mit Pauschalreisen oder der Vermittlung verbundener Reiseleistungen erzielt. Das Fondsvermögen wird aus den Entgelten der Reiseanbieter gebildet. Während der Aufbauphase gilt dies uneingeschränkt, anschließend kann ein Viertel des erforderlichen Kapitals auch durch eine unwiderrufliche Kreditzusage gebildet werden. Insgesamt – einschließlich der Sicherheitsleistungen – soll der Fonds bis zum 31. Oktober 2027 über ein Zielkapital-Volumen von 750 Millionen Euro verfügen. Die Höhe der Entgelte ist vom Fonds entsprechend festzusetzen, sie muss in der Aufbauphase aber mindestens 1 Prozent des Umsatzes der Reiseanbieter betragen. Der Staat sichert den Reisesicherungsfonds während der Aufbauphase durch eine Bürgschaft oder Garantie für einen Kredit ab, den der Reisesicherungsfonds im Schadensfall aufnehmen muss. Die staatliche Absicherung gilt bis 31. Oktober 2027 und deckt die Differenz zwischen dem vorhandenen Fondsvermögen zuzüglich der Sicherheiten und dem Zielkapital ab.

Sicherheitsleistung
Der Reisesicherungsfonds kann als Voraussetzung für den Abschluss eines Absicherungsvertrages mit einem Reiseanbieter verlangen, dass der Reiseanbieter eine individuelle Sicherheitsleistung stellt. Diese kann in Form einer Versicherung oder Bankgarantie (jeweils zugunsten des Fonds) beigebracht werden. Sie beträgt in der Aufbauphase des Fonds (bis zum 31. Oktober 2027) pauschal mindestens 5 Prozent des Jahresumsatzes. Nach Ende der Aufbauphase entscheidet grundsätzlich der Fonds über die Höhe der Sicherheiten. Vorgaben für Mindest- und Höchstsätze der Sicherheitsleistung können jedoch bei Bedarf per Verordnung geregelt werden.

Aufsicht und Governance
Die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) übernehmen. Zunächst wird das BMJV – sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen – eine Erlaubnis für den Betrieb des Reisesicherungsfonds erteilen. Die Aufnahme des Geschäftsbetriebs soll dann spätestens zum 1. November 2021 erfolgen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann das BMJV die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds auf das Bundesamt für Justiz übertragen.

Der Reisesicherungsfonds hat ausschließlich den Aufbau und den Erhalt von Kapital, den Abschluss von Absicherungsverträgen und die Abwicklung von möglichen Schäden zum Gegenstand. Dafür schreibt ihm das RSG eine wirksame und ordnungsgemäße Geschäftsorganisation vor. Die in diesem Kontext wesentlichen Interessengruppen (Bund und Länder, Verbraucherinnen und Verbraucher, Reiseanbieter) werden über einen Beirat einbezogen, der die Geschäftsleitung des Fonds unterstützt und berät. Einzelheiten dazu sowie zur Erlaubniserteilung wird die Bundesregierung per Rechtsverordnung regeln, die Anfang Juli 2021 in Kraft treten soll.

Streichung der Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro
Die bislang bestehende Möglichkeit der Kundengeldabsicherer, ihre Haftung auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, wird durch eine Änderung des § 651r BGB gestrichen. Der Reisesicherungsfonds haftet für Insolvenzschäden der bei ihm abgesicherten Reiseanbieter mit dem gesamten Fondsvermögen. Auch Versicherer und Kreditinstitute, die als Absicherer tätig werden, haften grundsätzlich unbegrenzt. Sie dürfen ihre Einstandspflicht nur bei Kleinstunternehmen mit absicherungspflichtigen Umsätzen von weniger als 3 Millionen Euro begrenzen, und zwar auf 1 Million Euro für jeden Insolvenzfall. Für diese Gruppe von Unternehmen liegen genügend aussagekräftige Daten vor, um die zu erwartenden Schäden mit hinreichender Sicherheit einschätzen und den danach angemessenen Höchstbetrag festlegen zu können. Für Unternehmen mit Umsätzen von 3 Millionen Euro oder mehr ist dies dagegen nicht der Fall, so dass eine Haftungsbegrenzung hier nicht möglich ist. (Quelle: BMJV)

 

Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtinie: Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG

Der Bundestag hat am 17. Dezember 2020 das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG)  beschlossen. Kernstück ist ein neues "Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen" (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), mit dem die Vorgaben der EU-Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 (s.u.) in das deutsche Recht umgesetzt werden. Erhebliche Änderungen betreffen aber auch das Unternehmensinsolvenzverfahren nach der InsO (v.a. Insolvenzgründe, Zahlungsverbote, [vorläufige] Eigenverwaltung). Das Gesetz tritt nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats bereits am 1. Januar 2021 in Kraft. Auf Insolvenzverfahren, die vor diesem Tag beantragt worden sind, sind die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden.

Im Einzelnen:

1) Durch das StaRUG ist ein Rechtsrahmen zur Ermöglichung insolvenzabwendender Sanierungen geschaffen worden, der es Unternehmen ermöglicht, sich auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans zu sanieren. Mit diesem Rechtsrahmen wird die Lücke geschlossen, die das geltende Sanierungsrecht zwischen dem Bereich der freien, dafür aber auf den Konsens aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits und der insolvenzverfahrensförmigen Sanierung mit ihren Kosten und Nachteilen gegenüber der freien Sanierung gelassen hat. Dieser Restrukturierungsrahmen soll es dem Unternehmen grundsätzlich ermöglichen, die Verhandlungen zu dem Plan selbst zu führen und den Plan selbst zur Abstimmung zu stellen. Die Instrumentarien des Rahmens stehen im Stadium der drohenden und noch nicht eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung. Vollstreckungs- und Verwertungssperren zur Wahrung der Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsvorhabens sind in Zukunft erwirkbar, wenn die Restrukturierung gut vorbereitet ist und wenn das Unternehmen während des Verfahrens fortgeführt werden kann. Liegen bereits Rückstände gegenüber Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern, dem Finanzamt oder Lieferanten vor oder ist das Unternehmen in den letzten drei Jahren nicht seinen Rechnungslegungspflichten nachgekommen, sind solche Sperren nur erwirkbar, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, die Restrukturierung unter Wahrung der Interessen der Gläubigerschaft zu betreiben.

2) In der InsO werden die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit stärker voneinander abgegrenzt. Zwar wird auch weiterhin eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der für die Überschuldungsprüfung vorzunehmenden Fortführungsprognose zu berücksichtigen sein. Jedoch soll das Konkurrenzproblem dadurch entschärft werden, dass der Überschuldungsprüfung ein Prognosezeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist, wohingegen die Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig im Rahmen eines zweijährigen Prognosezeitraums erfolgen soll. Zudem soll der maximale Zeitraum für die Antragspflicht bei Überschuldung auf sechs Wochen erhöht werden, um dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, Sanierungen im präventiven Restrukturierungsrahmen oder auf der Grundlage eines Eigenverwaltungsverfahrens ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten.

Der neue § 15b InsO verlagert die Haftungsvorschriften für Zahlungen der Geschäftsleitung nach Eintritt der Insolvenzreife (etwa § 64 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG, 130a HGB) nun rechtsformübergreifend in die InsO. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, ziehen nunmehr trotz Vorliegens einer Überschuldung keine Haftung nach sich.

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Eigenverwaltung werden stärker an die Zwecke der Eigenverwaltung und die Interessen der Gläubigerschaft rückgebunden. Der in der Anordnung der Eigenverwaltung liegende Vertrauensvorschuss ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner das Eigenverwaltungsverfahren rechtzeitig und gewissenhaft vorbereitet, bevor er unter den von einer akuten Zahlungsunfähigkeit ausgehenden Handlungsdruck gerät. In anderen Fällen soll die Eigenverwaltung zwar nicht ausgeschlossen sein, jedoch nur in Betracht kommen, wenn die prima facie nicht auszuschließenden Nachteile für die Gläubigerschaft nicht bestehen. Darüber hinaus sollen bislang ungeregelt gebliebene Einzelfragen zum Eigenverwaltungsverfahren einer Regelung zugeführt werden wie z.B. die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten sowie die Haftung der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger. (Quelle: RegE)

 

Corona-Krise und Insolvenzrecht

Der Bundestag hat am 25. März 2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht beschlossen. Teil der Neuregelung ist das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG). Im Insolvenzrecht der juristischen Personen werden hiernach die Insolvenzantragspflicht und die Zahlungsverbote bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, es sei denn die Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie oder es besteht keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Zudem werden Anreize geschaffen, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung (nicht aber bei Zahlungsunfähigkeit) wurde durch Gesetz vom 17. September 2020 bis zum 31. Dezember 2020 verlängert (s. BT-Drs. 19/22178 u. 19/22593, BR-Drs. 542/20).

Durch Art. 10 des am 17. Dezember 2020 beschlossenen Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG)wurde das COVInsAG erneut geändert; u.a. wurde die Insolvenzantragspflicht für einen weiteren Monat ausgesetzt, aber nur für den Fall, dass wenn der Schuldner einen unerledigten aussichtsreichen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt hat (§ 1 III CoVinsAG). Mit diesem beschränkten Inhalt ist die Aussetzung durch Gesetz vom 28. Januar 2021 bis Ende April 2021 verlängert worden.

Ferner wurde u.a. ein Anfechtungsschutz für pandemiebedingte Stundungen geschaffen: Die bis Ende März 2022 geleisteten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von Stundungen, die bis zum 28. Februar 2021 gewährt worden sind, gelten als nicht gläubigerbenachteiligend. Voraussetzung ist, dass gegenüber dem Schuldner ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung noch nicht eröffnet worden ist.

·         Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen

·         Stellungnahme des DAV

·         Ergänzende Stellungnahme des VID

·         Stellungnahme des VID

 

Verkürzung der Restschuldbefreiungsfrist für natürliche Personen

Im Rahmen der Maßnahmen zur Umsetzung der "Restrukturierungsrichtlinie" hat der Bundestag am 17. Dezember 2020 das "Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens" beschlossen. Es wird nach Billigung durch den Bundesrat rückwirkend zum 1. Oktober 2020 in Kraft treten.

Die "Restrukturierungsrichtlinie" (s.u.) sieht vor, dass insolvente Unternehmer Zugang zu mindestens einem Verfahren haben müssen, das ihnen eine volle Entschuldung nach spätestens drei Jahren ermöglicht. Darüber hinaus hatten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass an die Insolvenz geknüpfte Verbote der Ausübung gewerblicher, geschäftlicher, handwerklicher oder freiberuflicher Tätigkeiten mit Ablauf der Entschuldungsfrist ohne Weiteres außer Kraft treten. Den Anforderungen der Richtlinie genügte das bisherige Recht nicht vollständig. Nach §§ 287 II, 300 I InsO a.F. betrug die reguläre "Wohlverhaltensfrist" für eine Restschuldbefreiung sechs Jahre. Eine Restschuldbefreiung binnen der von der Richtlinie vorgegebenen Dreijahresfrist war nur möglich, wenn es dem Schuldner gelang, die Verfahrenskosten zu decken und die Insolvenzforderungen zu 35 Prozent zu befriedigen. Zudem traten Tätigkeitsverbote, die an die Insolvenz anknüpfen können, nicht ohne Weiteres mit Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft (vgl. § 35 VI GewO).

Das Gesetz sieht in seinem Kern eine Verkürzung des regelmäßigen Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf künftig drei Jahre vor. Auf die Erfüllung besonderer Voraussetzungen wie die Deckung der Verfahrenskosten oder die Erfüllung von Mindestbefriedigungsanforderungen wird künftig verzichtet.

Das dreijährige Restschuldbefreiungsverfahren soll für alle ab dem 1. Oktober 2020 beantragten Insolvenzverfahren gelten, um bereits diejenigen Schuldner bei einem wirtschaftlichen Neuanfang zu unterstützen, die durch die COVID-19-Pandemie in die Insolvenz geraten sind. Die zwischen dem 17. Dezember 2019 und 1. Oktober 2020 beantragten Restschuldbefreiungsverfahren sollen schrittweise verkürzt werden.

Das verkürzte Verfahren steht grundsätzlich allen Schuldnern offenstehen, nicht nur den unternehmerisch tätigen. Für Verbraucher wird es aber zunächst bis zum 30. Juni 2025 befristet werden. Die Entscheidung über eine Entfristung soll auf Grundlage eines von der Bundesregierung bis zum 30. Juni 2024 zu erstattenden Berichts getroffen werden. Dieser Bericht soll sich mit den Auswirkungen der Verfahrensverkürzung auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern befassen. Darüber hinaus soll er auf etwaige Hindernisse eingehen, die von den bestehenden Möglichkeiten der Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien für einen wirtschaftlichen Neustart nach der Restschuldbefreiung ausgehen. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass die noch im Referentenentwurf vorgesehene Höchstfrist von einem Jahr für die Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien nicht in das Gesetz übernommen wurde.

Für den Fall einer erneuten Insolvenz wird die Sperrfrist für die erneute Erlangung einer Restschuldbefreiung von derzeit zehn auf elf Jahre und das Restschuldbefreiungsverfahren von derzeit drei auf fünf Jahre verlängert. Ferner werden die Schuldner in der sog. „Wohlverhaltensphase“ stärker zur Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen. Außerdem kann die Restschuldbefreiung künftig versagt werden, wenn in der Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten begründet werden.

Schließlich sieht das Gesetz vor, dass Tätigkeitsverbote, die allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners ergangen sind, nach Erteilung der Restschuldbefreiung automatisch außer Kraft treten.

 

Spezialspruchkörper für insolvenzbezogene Streitigkeiten bei den LG und OLG

Am 14. November 2019 ist das Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften vom Bundestag beschlossen worden. U.a. soll die Spezialisierung der Gerichte in Zivilsachen ausgebaut und zu diesem Zweck der Katalog der obligatorischen Spezialspruchkörper bei den LG und OLG um die Rechtsmaterien erweitert werden, welche das Erbrecht, insolvenzbezogene Streitigkeiten und Anfechtungssachen nach dem AnfG sowie Pressesachen betreffen. Außerdem sollen die Landesregierungen ermächtigt werden, landesweit weitere spezialisierte Spruchkörper einzurichten und Rechtsstreitigkeiten an ausgesuchten Gerichten zu konzentrieren.

Betroffen sind u.a.:

Die Änderungen der ZPO sind am 1.Januar 2020 in Kraft getreten; im Übrigen tritt das Gesetz zu Jahresbeginn 2021 in Kraft.

 

EU-Restrukturierungsrichtlinie in Kraft getreten

Nach Bekanntmachung im Amtsblatt der EU ist die “Restrukturierungsrichtlinie" (Richtlinie (EU) 2019/1023 ... vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz)) am 16. Juli 2019 in Kraft getreten. Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten beträgt nach Art. 34 der RL grundsätzlich zwei Jahre, bei Geltendmachung besonderer Umsetzungsschwierigkeiten drei Jahre.

Das übergreifende Ziel der Richtlinie ist es, die Hindernisse für den freien Kapitalverkehr abzubauen, die sich aus den unterschiedlichen Restrukturierungs- und Insolvenzrahmen der Mitgliedstaaten ergeben, und die Sanierungskultur in der EU nach dem Grundsatz der zweiten Chance zu verbessern. Ferner zielen die neuen Regeln darauf ab, die Anzahl der notleidenden Kredite in den Bankbilanzen zu verringern und eine Anhäufung derartiger notleidender Kredite in Zukunft zu vermeiden. Dabei soll ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen der Schuldner und denen der Gläubiger hergestellt werden.

Zu den wichtigsten Elementen der neuen RL gehört Folgendes:

Zum Inhalt im Einzelnen s. etwa hier und hier.

 

 

Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen

Mit dem Jahressteuergesetz 2018 sind die Regelungen zur körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen rückwirkend zum 8.2.2017 in Kraft getreten. Grundsätzlich entfällt damit die Besteuerung eines Sanierungsgewinns, der entstehen kann, wenn sich der selbstständige Schuldner über einen außergerichtlichen Vergleich oder einen Insolvenzplan mit seinen Gläubigern vergleicht. § 3a Abs. 1 S. 1 EStG bestimmt: „Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des Absatzes 2 (Sanierungsertrag) sind steuerfrei.“. Dies gilt auf Antrag des Steuerpflichtigen auch für Sanierungen, die vor dem 8.2.2017 (Tag der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats des BFH) erfolgten. Die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung entsprechen weitgehend denen des Sanierungserlasses. Eine Doppelbegünstigung durch Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen und Fortführung von Verlustvorträgen ist aber nunmehr ausgeschlossen.  Neu ist zudem, dass die Steuerfreiheit auch für die Gewerbesteuer gilt.

 

 

Evaluierung ESUG

Der Deutsche Bundestag hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 die Bundesregierung beauftragt, die Erfahrungen mit der Anwendung des ESUG fünf Jahre nach dessen Inkrafttreten unter Berücksichtigung der nachstehenden Fragen zu evaluieren und dem Deutschen Bundestag unverzüglich Bericht zu erstatten:
1. In welchem Umfang hat sich der stärkere Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters auf dessen Unabhängigkeit ausgewirkt? Ist es im nennenswerten Umfang vorgekommen, dass im Interesse einzelner Gläubiger Verwalter bestellt wurden, an deren Unabhängigkeit erhebliche Zweifel bestanden haben?
2. Wurde von der Möglichkeit, über einen Insolvenzplan in die Rechtsstellung von Gesellschaftern einzugreifen, Gebrauch gemacht und wie hat sich dies auf die Schuldnerunternehmen ausgewirkt? In welchem Umfang wurden Forderungen in Eigenkapital umgewandelt, und hat dieser Debt-Equity-Swap im nennenswerten Umfang grob egoistische Strategien ermöglicht, die sich letztlich zum Nachteil der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer ausgewirkt haben?
3. Wird das neu geschaffene „Schutzschirmverfahren“ des § 270b InsO den Erwartungen gerecht und hat es insbesondere zu einer frühzeitigen Antragstellung und zu einer Stärkung der Eigenverwaltung geführt? Wird trotz § 270b InsO noch ein Bedürfnis für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren gesehen?
4. Ist die Aufgabenverteilung zwischen Richter und Rechtspfleger angemessen oder sollte im Interesse einer effektiven Verfahrensabwicklung die funktionelle Zuständigkeit neu austariert werden?

Das BMJV hat zur Vorbereitung des Berichts eine Forschergemeinschaft, bestehend aus Prof. Dr. Florian Jacoby, Prof. Dr. Stephan Madaus, Prof. Dr. Detlef Sack, Heinz Schmidt und Prof. Dr. Christoph Thole, mit der Durchführung einer rechtstatsächlichen und rechtswissenschaftlichen Untersuchung zur Wirkungsweise des ESUG und der Prüfung der oben aufgeführten Fragen beauftragt. Die Forschergemeinschaft hat am 30. April 2018 ihren Bericht vorgelegt.

Im Wesentlichen lassen sich die Ergebnisse des Berichts wie folgt zusammenfassen:

Die durch das ESUG eingeführten Änderungen wurden in den vergangenen fünf Jahren von der Praxis weitgehend positiv angenommen, eine Rückkehr zum früheren Recht ist nicht veranlasst. Die statistische Analyse zeigt, dass die mit dem ESUG neu geschaffenen Verfahrensmöglichkeiten im Auswertungszeitraum in ihrer Breite und in unterschiedlichen Kombinationen genutzt worden sind. Auch die Befragung der Expertinnen und Experten weist überwiegend positive Erfahrungen mit der Reform aus. Bei den im Evaluationsbericht vorgeschlagenen Reformen handelt es sich um Korrekturen in – wenn auch teils nicht unbedeutenden – Einzelfragen, ohne dass hierdurch die grundsätzliche Ausrichtung des ESUG in Frage gestellt würde.

Zu den einzelnen Fragen des Evaluierungsauftrags trifft der Bericht im Wesentlichen folgende Aussagen:

1. Es ist nicht festzustellen, dass die Stärkung der Gläubigerrechte bei der Auswahl von Insolvenzverwaltern zu einer Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit geführt hat. Die Frage, ob es häufig vorgekommen ist, dass im Interesse einzelner Gläubiger Insolvenzverwalter bestellt wurden, an deren Unabhängigkeit erhebliche Zweifel bestanden, wird von den befragten Expertinnen und Experten überwiegend verneint.

2. Das Insolvenzplanverfahren funktioniert nach der überwiegenden Einschätzung der Befragten im Wesentlichen gut, der praktische Anwendungsbereich für Planlösungen hat sich durch das ESUG erheblich erweitert. Die rechtswissenschaftliche Bewertung zeigt darüber hinaus, dass die durch das ESUG geschaffene Möglichkeit, im Insolvenzplanverfahren in die Rechte von Gesellschaftern einzugreifen, nahezu allgemein begrüßt wird und dass die rechtlichen Auseinandersetzungen in diesem Bereich eher die zulässige Reichweite entsprechender Eingriffe betreffen. Der empirische Befund zeigt, dass die neuen Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis für eine Vielzahl gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen zum Einsatz kommen, namentlich für Anteilsübertragungen, Kapitalschnitte und Umwandlungsmaßnahmen. Insbesondere im Bereich der Umwandlungsmaßnahmen wird Klärungsbedarf gesehen, ob und in welchem Umfang bestimmte Regelungen des Umwandlungsgesetzes von den Vorschriften über das Insolvenzplanverfahren verdrängt werden.

Der Debt-Equity-Swap wird offenbar wenig genutzt. Die Frage, ob dann, wenn in einem Insolvenzplan gesellschaftsrechtliche Regelungen enthalten waren, in den meisten Fällen Forderungen in Eigenkapital umgewandelt wurden, wird von den Expertinnen und Experten überwiegend verneint. Unter den „wichtigen Maßnahmen im Insolvenzplan“ wird der Debt-Equity-Swap an dritter Stelle nach Anteilsübertragungen an einen Erwerber und Kapitalschnitten genannt. Negative Auswirkungen von Debt-Equity-Swaps auf die betroffenen Unternehmen und ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden nicht festgestellt.

3. Das Schutzschirmverfahren wird mit 300 erfassten Verfahren im Auswertungszeitraum insgesamt weniger häufig in Anspruch genommen als die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a InsO (868 erfasste Verfahren). Da keine Veröffentlichungspflicht besteht, ist allerdings davon auszugehen, dass nicht alle Verfahren erfasst werden konnten. Von den bekannten Verfahren, welche im Schutzschirmverfahren begonnen haben, wurde etwas mehr als die Hälfte (54,33 %) jedenfalls zunächst auch im eröffneten Verfahren in Eigenverwaltung fortgeführt. Die befragten Expertinnen und Experten sind mehrheitlich skeptisch, ob das Schutzschirmverfahren zu einer frühzeitigen Insolvenzantragstellung geführt hat. Auch dass das Schutzschirmverfahren gegenüber der vorläufigen Eigenverwaltung erhebliche Vorteile biete, wird von ihnen überwiegend verneint. Zugleich wird aber beispielsweise das in dieser Form nur im Schutzschirmverfahren dem Schuldner eingeräumte Recht, den Sachwalter selbst vorzuschlagen, überwiegend als sinnvoll und wichtig sowie als entscheidend für die Wahl dieser Verfahrensart angesehen.

Insgesamt machen Eigenverwaltungsverfahren nur einen kleinen Teil der in Deutschland durchgeführten Insolvenzverfahren aus. Die befragten Expertinnen und Experten sind dabei überwiegend nicht der Ansicht, dass die Eigenverwaltung insgesamt zu häufig oder die vorläufige Eigenverwaltung häufig bei dafür nicht geeigneten Schuldnern angeordnet werde. Sie unterstützen allerdings zugleich mehrheitlich die Forderungen nach klar definierten Ablehnungsgründen für die Eigenverwaltung und nach vereinfachten Möglichkeiten zu ihrer Aufhebung.

Ein zwingendes Bedürfnis für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren besteht nach den Ergebnissen der Befragung nicht. Im Hinblick auf die zu erwartenden Vorgaben für die Einführung eines solchen Verfahrens aufgrund des derzeit verhandelten Vorschlags für eine europäische Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren bietet sich ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren nur als „weitere Option“ neben den insolvenzrechtlichen Verfahrensarten an.

4. Die Aufgabenverteilung zwischen Richter- und Rechtspflegerschaft hat sich im Wesentlichen bewährt.

Die Bundesregierung plant, die Ergebnisse des Evaluationsberichts im engen Austausch mit den betroffenen Kreisen eingehend zu prüfen. Die Ergebnisse der Evaluierung sollen auch bei der Umsetzung der Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren, die demnächst verabschiedet werden
soll, berücksichtigt werden. [Quelle: Bericht der BReg v. August 2018]

Evaluationsbericht der Forschergemeinschaft [pdf]

 

Evaluierung der Reform des Verbraucherinsolvenzrechts

Das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 war nach Art. 107 EGInsO durch die Bundesregierung für den Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2018 zu evaluieren. Die Evaluation sollte insbesondere untersuchen, in wie vielen Fällen bereits nach drei Jahren eine Restschuldbefreiung erteilt und somit das gesetzgeberische Ziel, in einer namhaften Anzahl von Fällen einen schnellen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen, erreicht werden konnte. Das BMJV hat die Evaluierung durchgeführt.

Nach den vorliegenden Daten konnte das geschaffene Anreizsystem nicht die
erhoffte Effektivität erzielen; es gelang bislang nur sehr wenigen Schuldnerinnen und Schuldnern die gesetzlich geforderte Mindestquote von 35 Prozent der angemeldeten Insolvenzforderungen nebst den Kosten des Verfahrens zu befriedigen, um vorzeitig Restschuldbefreiung erhalten zu können. Der Anteil der Schuldner, die eine vorzeitige Restschuldbefreiung erlangen konnten, liegt bei deutlich unter 2 Prozent und verfehlt daher die vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags vorgegebene Zielmarke von 15 Prozent deutlich.

Ein Vergleich zwischen den Befriedigungsquoten in den Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, die unter dem bis 30. Juni 2014 geltenden Recht durchgeführt wurden, und den Verfahren, die unter dem ab 1. Juli 2014 geltenden Recht durchgeführt wurden und werden, ist derzeit nicht aussagekräftig möglich, weil der weit überwiegende Teil der nach der Rechtsänderung beantragten Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Angesichts der deutlichen Verfehlung der Zielgröße von 15 Prozent bestünde nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Da eine Anpassung der nationalen Regelungen allerdings auch die Vorgaben zu beachten hätte, die der europäische Gesetzgeber auf dem Gebiet schafft, empfiehlt die Bundesregierung, die Erkenntnisse aus dieser Evaluierung zunächst in die Verhandlungen zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen einfließen zu lassen. Dieser Richtlinienvorschlag enthält auch Regelungen zu einer Restschuldbefreiung natürlicher Personen und sieht insoweit vor, dass eine Restschuldbefreiung in der Regel nach drei Jahren zu erteilen ist. Eine Mindestbefriedigungsquote sieht er nicht vor. [Quelle: Bericht der BReg vom Juni 2018]

Reform des Konzerninsolvenzrechts (KIG)

Am 10. März 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (KIG) beschlossen; es wird am 21. April 2018 in Kraft treten (BGBl I, 886). Das Gesetz sieht als dritte Stufe der Insolvenzrechtsreform Änderungen der Insolvenzordnung vor, die den spezifischen Besonderheiten von Konzerninsolvenzen Rechnung tragen. Ziel des Gesetzes ist es, die im Falle einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden Einzelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger Unternehmen besser aufeinander abzustimmen.

Das Gesetz schafft zum einen Gerichtsstandsregelungen, die es ermöglichen sollen, dass sämtliche Verfahren an einem Insolvenzgericht anhängig gemacht werden können (§ 3a InsO n.F.). Am Gericht des Gruppen-Gerichtsstands ist für Gruppen-Folgeverfahren der Richter zuständig, der für das Verfahren zuständig ist, in dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wurde (§ 3b InsO n.F.). Für den Fall, dass Verfahren an mehreren Gerichten geführt werden, wird die Möglichkeit einer Verweisung an ein einziges Gericht geschaffen (§ 3d InsO n.F.).

Für die Fälle, in denen Verfahren an mehreren Gerichten geführt werden oder in denen mehrere Verwalter bestellt worden sind, schafft der Entwurf Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltern und den Gerichten. Der Entwurf erkennt dabei die schon nach geltendem Recht bestehenden Kooperationspflichten der Verwalter an und schafft Grundlagen für die zwischengerichtliche Zusammenarbeit (§§ 269a - 269c InsO n.F.). Insbesondere sollen die Gerichte verpflichtet werden, sich in der Frage abzustimmen, ob zur Minimierung von Reibungsverlusten im Zuge von Abstimmungserfordernissen eine Person in mehreren oder allen Verfahren zum Verwalter bestellt werden kann (§ 56b InsO n.F.).

Zum anderen geht der Entwurf mit der Schaffung eines Koordinationsverfahrens neue Wege (§§ 269d ff. InsO n.F.). Das Koordinationsverfahren soll die Abstimmung der Einzelverfahren verbessern, ohne die Selbständigkeit der Einzelverfahren in Frage zu stellen. In seinem Rahmen soll aus dem Kreis der Verwalter eine Person als Verfahrenskoordinator mit der Abstimmung der Einzelverfahren betraut werden. Seine Aufgabe besteht darin, Vorschläge für die abgestimmte Insolvenzverwaltung auszuarbeiten. Eine besondere Stellung nimmt dabei der vom Verfahrenskoordinator vorzulegende und vom Koordinierungsgericht zu bestätigende Koordinationsplan ein, der als Referenzplan für die auf der Ebene der Einzelverfahren, insbesondere auf der Grundlage von Insolvenzplänen, zu ergreifenden Maßnahmen dient.

 

Reform des Anfechtungsrechts

Der Bundestag hat am 16. Februar 2017 das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz in der durch den Rechtsausschuss am Vortag modifizierten Fassung beschlossen. Mit der Neuregelung wird das Ziel verfolgt, den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der derzeitigen Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts ausgingen.

Das Gesetz sieht im Wesentlichen folgende Neuregelungen vor:

Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO): Zum Schutz des Wirtschaftsverkehrs wird die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen erschwert. Dies sind Handlungen, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen, insbesondere Zahlungen auf erbrachte Lieferungen und Leistungen. Für die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen soll ein deutlich verkürzter Anfechtungszeitraum von vier (anstatt bislang zehn) Jahren gelten. Die Vorsatzanfechtung soll noch weiter eingeschränkt werden, wenn die gewährte Deckung kongruent ist, d.h. der Gläubiger die Bestellung der Sicherheit oder die Erfüllung der Forderung zu der Zeit und in der Art zu beanspruchen hatte. Anders als bislang, sollen diese Deckungen grundsätzlich erst dann anfechtbar sein, wenn der Gläubiger erkannt hat, dass der Schuldner bereits zahlungsunfähig war. Die Kenntnis der bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit soll nicht mehr genügen. Darüber hinaus werden Gläubiger, die ihren Schuldnern Zahlungserleichterungen zur Überwindung vorübergehender Liquiditätsschwierigkeiten gewähren, Gewissheit haben, dass dies für sich genommen eine Vorsatzanfechtung nicht begründen kann. Zugunsten jener Gläubiger wird gesetzlich vermutet, dass sie bei später erhaltenen Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit ihres Schuldners nicht kannten. Um einen Anfechtungsanspruch zu begründen, muss der Insolvenzverwalter das Gegenteil beweisen. Die genannten Einschränkungen der Anfechtbarkeit gelten nicht für unredliche Vermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen. Wer bei solchen Handlungen „mitmacht“, verdient keinen Schutz. Deshalb verbleibt es insoweit beim bisherigen Recht, insbesondere bei dem zehnjährigen Anfechtungszeitraum.

Bargeschäft (§ 142 InsO): Bargeschäfte sollen künftig nur noch dann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner unlauter handelte und der Gläubiger dies erkannt hat. Um die Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, die in Bezug auf die Anfechtbarkeit von Lohnzahlungen bestehen, soll darüber hinaus gesetzlich klargestellt werden, dass ein Bargeschäft gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Lohnzahlung drei Monate nicht übersteigt. Das ist der Zeitraum, den bisher schon das Bundesarbeitsgericht seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt hat.

Verzinsung des Anfechtungsanspruchs (§ 143 InsO): Anfechtungsansprüche sollen künftig nur noch nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder ab Klageerhebung verzinst werden. Dadurch sollen bestehende Fehlanreize zu einer schleppenden Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen beseitigt und der Rechtsverkehr besser vor einer übermäßigen Zinsbelastung geschützt werden.

Inkongruenzanfechtung (§ 131 InsO): Durch den Rechtsausschuss gestrichen wurde eine Bestimmung des Regierungsentwurfs, wonach die in der Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe der "Vollstreckungsinkongruenz" explizit für unzulässig erklärt worden wäre (§ 131 Abs. 1 S. 2 InsO i.d.F. des RegE). Der Ausschuss hat damit der verbreitet geäußerten Kritik, dass diese Regelung aufgrund der Möglichkeit der Selbsttitulierung eine ungerechtfertigte Privilegierung hoheitlicher Rechtsträger gegenüber privaten Gläubigern bewirke, Rechnung getragen.

 

 

 

EU-Richtlinienvorschlag zur vorinsolvenzlichen Restrukturierung

Die EU-Kommission hat am 22.11.2016 zum ersten Mal ein europäisches Maßnahmenpaket zu Unternehmensinsolvenzen vorgelegt. Diese Initiative ist Teil des Aktionsplans zur Schaffung einer Kapitalmarktunion und der Binnenmarktstrategie. Die vorgeschlagene Richtlinie (COM(2016) 723 final) konzentriert sich auf drei wesentliche Elemente:

Mit den neuen Vorschriften werden die folgenden wesentlichen Grundsätze festgelegt, mit denen sichergestellt werden soll, dass der Insolvenz- und der Umstrukturierungsrahmen EU-weit kohärent und effizient sind:

(Quelle: PM EU-Kommission vom 22.11.2016)

Vorschlag

Fragen und Antworten

EU Factsheet

Länderspezifische Factsheets

Aktionsplan zur Kapitalmarktunion von 2015

 

 

 

Anpassung des deutschen Rechts an die EuInsVO-Novelle

Der am 19. Oktober 2016 vorgelegte (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren passt die Bestimmungen der zum 26. Juni 2017 in Kraft tretenden Neufassung der EuInsVO in das deutsche Verfahrensrecht ein. Er sieht insbesondere die Einführung eines neuen Artikels 102c EGInsO vor, der sich an den geltenden Bestimmungen des Artikels 102 EGInsO orientiert. Der neue Artikel 102c EGInsO berücksichtigt jedoch auch die Ergänzungen und Änderungen, die die Neufassung im Vergleich zur geltenden Fassung erfahren hat. Er enthält insbesondere Bestimmungen zu den in der Neufassung erstmals vorgesehenen Rechtsbehelfen und gerichtlichen Entscheidungen, zur örtlichen Zuständigkeit bei sogenannten Annexverfahren, zu verfahrensrechtlichen Einzelheiten der „synthetischen“ Abwicklung von Sekundärinsolvenzverfahren und zu Einzelfragen bei der Bewältigung der Insolvenz der Mitglieder von Unternehmensgruppen. Da die derzeit geltende Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 auch über den 26. Juni 2017 hinaus für die bis dahin eröffneten Verfahren gelten wird (Artikel 84 Absatz 2 der Neufassung), soll Artikel 102 EGInsO daneben bestehen bleiben. Eine "große" Lösung, die auch die Bestimmungen des nationalen internationalen Insolvenzrechts (§§ 335 ff InsO) inhaltlich an die geänderte EuInsVO angleicht, ist nicht vorgesehen.

Der Gesetzentwurf enthält zugleich eine Entschärfung der Strafbarkeit bei nur formal unrichtigem Insolvenzantrag. Hat ein Antragsteller nicht alle Formalien erfüllt, soll es ihm zukünftig möglich sein, das Fehlende noch innerhalb von drei Wochen ab gerichtlicher Anforderung nachzureichen. Ferner wird die bislang auf § 4 InsO in Verbindung mit § 139 ZPO gestützte Praxis der Insolvenzgerichte, bei unzulässigen Eröffnungsanträgen im Wege der Zwischenverfügung auf einen ordnungsgemäßen Antrag hinzuwirken, explizit im Gesetz geregelt.

Zu den Stellungnahmen s. hier.

 

 

Änderung des § 104 InsO

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2016 (IX ZR 314/14) gab der Bundesregierung Anlass zu einem (Regierungs-)Entwurf vom 14. September 2016 mit dem Vorschlag, § 104 InsO zur Klarstellung und Präzisierung der rechtlichen Grundlagen für das vertragliche Liquidationsnetting neu zu fassen und die durch das Urteil des Bundesgerichtshofs entstandenen Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Der Bundestag hat das Gesetz am 1. Dezember 2016 in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drucks. 18/10470) beschlossen. Das Gesetz ist am 29.12.2016 in Kraft getreten (BGBl. I, 3147) und enthält neben einer am 1.1.2017 gültigen Fassung des § 104 InsO eine rückwirkende Regelung für alle Insolvenzverfahren, die ab dem 10. Juni 2016 beantragt worden sind (Art. 105a EGInsO). Zu den Stellungnahmen s. hier.

 

 

 

Reform der EuInsVO

Nach der revidierten Fassung der EuInsVO soll es für eigentlich rentable Unternehmen, die von der Wirtschaftskrise überrollt wurden, einen Rettungsanker in Form einer zweiten Chance geben. Instrumente hierfür sind etwa die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf "präventive" Verfahren und Verfahren in Eigenverwaltung, eine Klarstellung des COMI-Begriffs verbunden mit einer Verbesserung des prozessualen Rahmens für die Prüfung der gerichtlichen Zuständigkeit, die Einführung von internetbasierten Insolvenzregistern und deren Verknüpfung, die Umstrukturierung der Sekundärverfahren und die Einführung von Regeln zur Konzerninsolvenz. So sah es bereits ein Vorschlag zur Aktualisierung der in der EuInsVO für grenzüberschreitende Unternehmensinsolvenzen geltenden Bestimmungen vor, den die Kommission am 12. Dezember 2012 vorgelegt hatte. Die Neufassung der Verordnung ist nunmehr vom Europäischen Parlament am 20. Mai 2015 verabschiedet worden und tritt am 26. Juni 2017 in Kraft.

 

Reform des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens

Der Bundestag hatte am 17. Mai 2013 das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte in der durch den Rechtsausschuss vorgeschlagenen Fassung verabschiedet. Das Gesetz enthält Regelungen zur Verkürzung und Umgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens, Öffnung des Planverfahrens für Verbraucherinsolvenzverfahren, Stärkung der Gläubigerrechte und zur insolvenzrechtlichen Sicherung der Mitgliedschaft in einer  Wohnungsgenossenschaften. Nachdem das Gesetz den Bundesrat ohne Änderungen passiert hatte, ist es nunmehr im wesentlichen am 1. Juli 2014 in Kraft getreten.

Verkürzung und Umgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens
Die Neuregelungen eröffnen Schuldnern die Möglichkeit, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre zu verkürzen. Diese Möglichkeit besteht, wenn es dem Schuldner gelingt, innerhalb der ersten drei Jahre des Verfahrens mindestens 35% der Gläubigerforderungen und die Verfahrenskosten zu begleichen. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung ist zudem nach fünf Jahren vorgesehen, wenn zumindest die Verfahrenskosten beglichen werden können. Im Übrigen bleibt es bei der derzeitigen Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs Jahren.
Mit dieser differenzierten Regelung sucht das Gesetz einen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners an einer möglichst schnellen Restschuldbefreiung, die ihm eine "zweite Chance" eröffnet, und den Interessen der Gläubiger an der Realisierung der ihnen zustehenden Forderungen. Gleichzeitig werden auch die Landesjustizverwaltungen entlastet, welche über die Stundungsregelung des § 4a InsO an der Finanzierung der Insolvenzverfahren beteiligt sind.

Öffnung des Planverfahrens für Verbraucherinsolvenzen
Zudem eröffnet der Entwurf das Insolvenzplanverfahren für das Verbraucherinsolvenzverfahren, d.h. es wird den Gläubigern künftig möglich sein, maßgeschneiderte Pläne zur Bewältigung der Verbraucherinsolvenz auszuhandeln und in Gestalt eines Insolvenzplans zu beschließen. Da ein solcher Plan auch vorsehen kann, dass der Schuldner von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit wird (§ 227 Abs. 1 InsO), kann der Verbraucher in diesen Fällen auch ohne das Durchlaufen eines Restschuldbefreiungsverfahrens in den Genuss einer Entschuldung kommen.

Stärkung der Gläubigerrechte
Die Wahrnehmung der Gläubigerrechte ist, gerade wenn es um die Erteilung der Restschuldbefreiung geht, teilweise beschwerlich. Die praktischen Schwierigkeiten führen dazu, dass zuweilen die Restschuldbefreiung erteilt wird, obwohl Versagungsgründe vorliegen. Mit den Maßnahmen zur Stärkung der Gläubigerrechte soll dies künftig verhindert werden. Unter anderem ermöglicht das Gesetz zukünftig den Gläubigern, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung jederzeit schriftlich zu stellen. Ein solcher Antrag muss spätestens im Schlusstermin vorliegen oder gestellt werden. Damit soll auch die Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung unter den Gläubigern weiter verbessert werden.

Schutz von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften
Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften, die sich in der Insolvenz befinden, werden in Zukunft vor dem Verlust der von ihnen genutzten Genossenschaftswohnung geschützt. Bislang ist der Insolvenzverwalter gehalten, die Mitgliedschaft des Schuldners in der Genossenschaft zu kündigen, um dessen Geschäftsguthaben zu verwerten. Dies führt häufig zur Kündigung des Nutzungsverhältnisses, also zum Verlust der Wohnung. Auf der anderen Seite soll die Neuregelung den Interessen der Insolvenzgläubiger Rechnung tragen und verhindern, dass Schuldner ihr Vermögen unbegrenzt als genossenschaftliches Geschäftsguthaben insolvenzfest anlegen können. Künftig darf der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft des Nutzers einer Genossenschaftswohnung nicht mehr kündigen, wenn das Geschäftsguthaben nicht höher ist als das Vierfache des monatlichen Nettonutzungsentgelts oder maximal 2.000 Euro.

Insolvenzfestigkeit von Lizenzen
Der Referentenentwurf enthielt noch einen Vorschlag zur Behandlung von Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers (§ 108a InsO-E). Dieser war schon seit dem Regierungsentwurf nicht mehr enthalten.

 

Hinweis: Das Bundeskabinett hatte bereits am 22. August 2007 einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem das Insolvenzverfahren für Verbraucher reformiert werden sollte. Dessen gänzlich abweichender Ansatz wurde im weiteren Verlauf aber nicht weiter verfolgt. S. dazu:

 

 

Entfristung des Überschuldungsbegriffs

Am 9. November 2012 hat der Bundestag die Entfristung des "modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs" des § 19 Abs. 2 InsO beschlossen (durch Aufhebung von Art. 6 Abs. 3 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes in Art. 18 des insoweit am 12.12. 2012 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess [BGBl 2012 I, 2418]). Nach diesem durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom 17.10. 2008 zunächst befristet eingeführten und seitdem zweimal verlängerten Überschuldungsbegriff gilt ein Unternehmen nun auch weiterhin als nicht überschuldet, wenn seine Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. In einem solchen Fall einer positiven Fortführungsprognose ist mithin unerheblich, ob die Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers noch von dessen (zu Fortführungswerten bewerteten!) Vermögen gedeckt werden. Nur im Fall einer negativen  mittelfristigen Liquiditäts- und Fortführungsprognose kann daher noch im Rechtssinne eine Überschuldung vorliegen (sofern die Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers höher sind als dessen dann zu Liquidationswerten (!) bewertetes Vermögen). Eine vom BMJ in Auftrag gegebenen rechtstatsächliche Untersuchung (Bitter/Hommerich, Die Zukunft des Überschuldungsbegriffs, Köln 2012) war nun zu dem Ergebnis gekommen, dass die volkswirtschaftlichen Vorteile der in der Finanzkrise getroffene Entscheidung, den Überschuldungsbegriff zu ändern, die Nachteile klar überwogen hätten. Der alte Überschuldungsbegriff werde in der Praxis zudem weitgehend für unpraktikabel gehalten. Die relative Mehrheit der befragten Experten habe eine dauerhafte Beibehaltung des derzeit geltenden Überschuldungsbegriffs befürwortet.

 

 

 

Qualitätsstandards für Insolvenzverwalter

GOI

Mit den am 5. Mai 2012 beschlossenen „Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung“ (GOI) hat der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) seinen Mitgliedern neue Maßstäbe für eine unabhängige, transparente und qualitativ anspruchsvolle Insolvenzverwaltung vorgegeben. Mit diesen strengen und für alle VID-Mitglieder verbindlichen Berufsregeln wird das Bemühen der VID-Mitglieder um eine sanierungsorientierte Insolvenzverwaltung in Bezug auf die Fortführung und Sanierung der ihnen anvertrauten Unternehmen noch weiter konkretisiert. Dabei werden mit den GOI auch Maßstäbe zum Verhalten gegenüber den Gläubigern, Gerichten und Arbeitnehmern gesetzt.

GOI
GOI mit Prüfungsordnung
GOI - FAQ

 

Berufsgrundsätze

Bereits 2006 hatte der VID Berufsgrundsätze verabschiedet, die strenge Regeln für Berufszugang und -ausübung festlegten. Diese lösten den im Jahr 2002 beschlossenen Verhaltenskodex ab. Ziel war es, eine hohe Qualität der Insolvenzverwaltung im Interesse von Gläubigern und Arbeitsplätzen zu sichern. Dabei sollten diese Berufsgrundsätze nicht nur eine Vorgabe für Mitglieder des VID, sondern Grundlage einer jeden Insolvenzverwaltertätigkeit sein. Die Berufsgrundsätze wurden im Jahr 2011 durch die Verabschiedung der „Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung“ (GOI) präzisiert und erweitert.

VID-Berufsgrundsätze

 

ISO 9001

Alle im VID zusammen geschlossenen Insolvenzverwalter haben sich verpflichtet, eine Zertifizierung nach „DIN EN ISO 9001 - 2008“ (ISO:9001) vorzunehmen. Der Nachweis über die Erstzertifizierung, die jährlichen Audits sowie die alle drei Jahre vorzunehmenden Nachzertifizierungen müssen gegenüber dem VID dokumentiert werden. Kommen die VID-Mitglieder diesen Verpflichtungen nicht nach, droht ihnen der Ausschluss aus dem VID. Wenn Insolvenzverwalter externe Dienstleister für die Büroorganisation oder für Abwicklungstätigkeiten in Insolvenzverfahren nutzen, müssen auch diese nach ISO:9001 zertifiziert sein.

Uhlenbruck-Kriterien

Die „Uhlenbruck-Empfehlungen“ (benannt nach einer von dem Kölner Insolvenzrichter Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck geleiteten Kommission) formulieren klare Kriterien zur Auswahl, Aufsicht und Bewertung von Insolvenzverwaltern. Damit wurde erstmals ein Katalog entwickelt, der es Insolvenzgerichten ermöglichen soll, für Insolvenzverfahren ausschließlich geeignete Insolvenzverwalter zu identifizieren.

Uhlenbruck-Empfehlungen

 

Einheitlicher Kontenrahmen: "SKR-InsO"

Am 1.12.2011 haben sich der VID, der Gravenbrucher Kreis und das ZEFIS im Rahmen eines gemeinsamen Treffens in Düsseldorf auf das weitere Vorgehen zur  Standardisierung eines Kontenrahmens geeinigt. Danach soll dieser gemeinsame Kontenrahmen, der den Namen „SKR-InsO“ tragen wird und aus dem bereits bekannten Datev -Kontenrahmen SKR–04 entwickelt wurde, in diesen Tagen an die Softwareanbieter übermittelt werden um eine Übernahme in die Standard-Softwareprogramme zu ermöglichen. Änderungen sollen von da ab nur noch mit Zustimmung aller drei Organisationen möglich sein. Die weitere Besetzung des gemeinsamen Fachausschuss zur Fortentwicklung („Fachausschuss SKR-InsO“), dem in Zukunft auch Sachverständige aus dem Kreis der Justiz und Schlussrechnungsprüfer angehören sollen, soll sich ebenfalls am Prinzip der Einstimmigkeit orientieren.

SKR04-InsO Strukturhinweise
SKR04-InsO Übersicht
SKR04-InsO Gesamt

 

 

1. Stufe der Insolvenzrechtsreform (ESUG) in Kraft getreten

Der Bundestag hat am 27. Oktober 2011 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in der vom Rechtsausschuss am Vortag geänderten Fassung (BT-Drucks. 17/7511) angenommen. Die Änderungen sind im Wesentlichen am 1. März 2012 in Kraft getreten.

Vom Regierungsentwurf weicht der Gesetzesbeschluss in einigen wesentlichen Punkten ab:

- Streichung der Zuständigkeitskonzentration der Insolvenzgerichte

- Streichung von § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO-E, wonach die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalter nicht allein dadurch ausgeschlossen werden sollte, dass er den Insolvenzplan erstellt hat

- Angleichung der Schwellenwerte des § 22a InsO-neu an die Werte des § 267 Abs. 1 Nr. 1 - 3 HGB

- Verschiebung des Inkrafttretens des Insolvenzstatistikgesetzes auf den 1. Januar 2013

- Einführung einer Regelung, die sicherstellen soll, dass die in der Praxis üblichen Change-of-Control-Klauseln im Fall der Durchführung eines Debt- Equity-Swaps oder einer anderen Kapitalmaßnahme nicht zur Anwendung kommen

- die Einschränkung der dem Schuldner auferlegten Darlegungslasten bei einem Eigenantrag

- das Recht des vorläufigen Gläubigerausschusses, eine andere als die bestellte Person zum Insolvenzverwalter zu wählen, wenn der Ausschuss im Vorfeld nicht angehört wurde

- Streichung der Privilegierung der Clearingstellen

- Ermächtigung des Insolvenzverwalters zur Korrektur offensichtlicher Fehler des Insolvenzplans

- Einführung einer Regelung, wonach Austritte aus einer Gesellschaft, die auf einem in einem Debt-Equity-Swap liegenden wichtigen Grund beruhen, keine den Sanierungserfolg gefährdenden Abfindungsansprüche nach sich ziehen

- Streichung der automatischen Beendigung einer Eigenverwaltung schon bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit

- optionale Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den eigenverwaltenden Schuldner auf entsprechende Ermächtigung des Insolvenzgerichts im künftigen "Schutzschirmverfahren"


Das Bundeskabinett hatte das förmliche Gesetzgebungsverfahren am 23.2.2011 mit dem Regierungsentwurf eingeleitet. Zur Begründung schrieb das Ministerium seinerzeit:

Gläubigerautonomie
Die Gläubigerautonomie insgesamt wird gestärkt. Deshalb wird die Möglichkeit geschaffen, bereits im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, der bei bestimmten Unternehmen ein wichtiges Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung hat. Das Institut der Eigenverwaltung wird durch Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei den Verfahrensvoraussetzungen hervorgehoben: Das Gericht wird dadurch gezwungen, sich ernsthafter als bisher mit den Möglichkeiten der Eigenverwaltung auseinanderzusetzen. Befürwortet der Gläubigerausschuss sie einhellig, soll das Gericht daran gebunden sein. Auch bei der Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, die gemeinhin als Schicksalsfrage des Verfahrens bezeichnet wird, wird dieser vorläufige Gläubigerausschuss eingebunden werden. Die Beteiligung der Gläubiger wird aber nicht nur zeitlich vorverlagert. Vorgaben des Ausschusses zur Person des Verwalters – seine Eignung und Unabhängigkeit vorausgesetzt – sollen für den Richter unter bestimmten Umständen bindend sein. Künftig wird das Gericht in Insolvenzverfahren über Unternehmen, deren Betrieb noch nicht eingestellt ist und die eine bestimmte Unternehmensgröße und damit eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung haben (gemessen an ihrem Umsatz, der Arbeitnehmerzahl bzw. der Jahresbilanzsumme) verpflichtet, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzuberufen. Besteht ein solcher vorläufiger Gläubigerausschuss und einigen sich alle Mitglieder auf einen Verwalter, soll das Gericht hieran gebunden sein.

Schutzschirmverfahren
Ein Schuldner wird zukünftig bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten in einer Art „Schutzschirmverfahren“ unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann. Das Gericht soll nicht nur regelmäßig den vom Schuldner Vorgeschlagenen als vorläufigen Sachwalter einsetzen, auf Antrag ist das Gericht dazu auch verpflichtet, Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner zu untersagen oder einstweilen einzustellen. Zudem darf es im Schutzschirmverfahren weder einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen noch dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entziehen.

Planverfahren
Darüber hinaus soll das Instrument des Planverfahrens ausgebaut werden. Der Entwurf zielt durch eine moderate Beschränkung der Rechtsmittel gegen die Planbestätigung darauf, dass einzelne Gläubiger nicht mehr in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Plans verhindern können. Im Rahmen des Planverfahrens können künftig als Sanierungsinstrument auch Forderungen von Gläubigern in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden („dept-equity-swap“). Die Einbindung dieses gesellschaftsrechtlichen Instruments in die Insolvenzordnung verbessert die Sanierungschancen, da Widerstände von Altgesellschaftern überwunden werden können.

Verjährungsfristen für verspätete Forderungen
Um zu vermeiden, dass Forderungen, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden und erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden, die Finanzplanung nachträglich stören, hat der Schuldner künftig die Möglichkeit, bei Vollstreckungsversuchen nach der Verfahrensaufhebung Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht zu erhalten, wenn die geltend gemachte Forderung die Durchführung des Insolvenzplans gefährdet. Zudem werden Verjährungsfristen für verspätete Forderungen verkürzt: Ansprüche, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind und mit denen deshalb nicht zu rechnen war, verjähren künftig in einem Jahr.

Clearinghäuser
Der Gesetzentwurf stärkt außerdem die Position von Clearinghäusern, indem im Interesse der Stabilität der Märkte sichergestellt wird, dass Finanztransaktionen auch bei Insolvenz eines Teilnehmers geordnet zu Ende gebracht werden können.

Konzentration
Die Reform sieht weiterhin eine zwingende Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeiten für Insolvenzen auf maximal ein Insolvenzgericht pro Landgerichtsbezirk vor, dies gilt zukünftig sowohl für Unternehmens- als auch für Verbraucherinsolvenz- und sonstige Kleinverfahren.

Insolvenzstatistik

Schließlich wird das Recht der Insolvenzstatistik neu geordnet, damit in Zukunft belastbare Angaben über die finanziellen Ergebnisse und den Ausgang von Insolvenzverfahren vorliegen.
(Quelle: PM)

 

ESUG-Materialien im Überblick:

Letzte durch den Rechtsausschuss geänderte Fassung vom 26.10.2011 (BT-Drucks. 17/7511)

Beschlussempfehlung der Ausschüsse des Bundesrats

Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 4.5.2011

Bundesrat, Empfehlungen der Ausschüsse vom 5.4.2011, BR-Drs. 127/1/11

Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichtung der Sanierung von Unternehmen vom 15.4. 2011, BR-Drs. 127/11 (Beschluss)

Plenarprotokoll der 882. Sitzung des Bundesrates vom 15.4.2011, S. 203 (D) bis 207 (C) und 216 (D) bis 218 (B)

Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BR-Drs. 127/11

Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (Juli 2010)

Zusammenstellung der Materialien (Bundestag)

Zusammenstellung der Äußerungen der Verbände (BGH)


Stellungnahmen der Sachverständigen bei der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 29. Juni 2011:
 B. BrennerProf. Dr. H. Haarmeyer, Dr. Petra HilgersProf. Dr. Heribert HirteDr. Christoph NieringProf. Dr. Christian C.-W. PleisterDr. Dietmar RendelsOliver SporréDr. Nils G. Weiland

 

      

Zulassungsfreie Rechtsbeschwerde zum BGH (§ 7 InsO) abgeschafft

Im Rahmen des "Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung" hat der Deutsche Bundestag am 7. Juli 2011 ohne viel Aufhebens die Bestimmung des § 7 InsO aufgehoben. Damit entfällt die Möglichkeit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. In Zukunft wird es nur in den Fällen einen Weg nach Karlsruhe geben, in denen das Landgericht die Rechtsbeschwerde zulässt. Eine Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz nicht vor.

Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung (BT-Drs. 17/5334)

Beschlussempfehlung und Beschluss des Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/6406)

  

 

Verwalterauswahl und Europäische Dienstleistungsrichtlinie

Aufgrund der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) sind Anpassungen bezüglich der Verfahren der Berufszulassung zu den rechtsberatenden Berufen erforderlich, darunter die Bestellung von Insolvenzverwaltern. Dem bislang vorliegende Referentenentwurf zufolge sollen für das Verfahren zur Aufnahme in die bei den Insolvenzgerichten geführten Vorauswahllisten für Insolvenzverwalter Entscheidungsfristen eingeführt sowie die Abwicklung des Verfahrens über den so genannten "einheitlichen Ansprechpartner" als Verfahrensmittler ermöglicht werden.

Referentenentwurf mit Empfehlungen des Ausschüsse des BR und des Bundesrats
 


Literatur:

Slopek, Viel Lärm um nichts: Die (Be) Stellung des Insolvenzverwalters und die Dienstleistungsrichtlinie, ZInsO 2008, 1243

Frind, Geister, die ich rief - Zur Notwendigkeit, EU-Bewerbungen zum Zugang für das Insolvenzverwalteramt zu regeln, ZInsO 2009, 1678

Frind, Zulassungsordnung für Verwalter - cui bono?, ZInsO 2009, 1997

Für eine leistungsorientierte Insolvenzverwalterauswahl - Gegen Nivellierung durch Bürokratisierung! - Gemeinsamer Aufruf von Insolvenzrichtern, Insolvenzverwaltern, Gläubigervertretern und Wissenschaftlern, ZInsO 2009, 1950

 

Restrukturierung von Banken

Der Bundestag hat am 28. Oktober 2010 das Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) beschlossen. Damit werden Eckpunkte zur Bankenrettung umgesetzt, die das Bundeskabinett am 31. März 2010 beschlossen hatte. Der Gesetzentwurf soll sicherstellen, dass Bankinstitute weit unterhalb der Schwelle der Enteignung in einem geordneten Verfahren frühzeitig saniert werden können.

Das Gesetz setzt auf Privatautonomie und stärkt die Eigenverantwortung der Unternehmer. Das Modell bietet die Chance, eigenverantwortlich und zunächst ohne Eingriffe in Aktionärsrechte die Sanierung des Kreditinstituts einzuleiten. Unter strengen Voraussetzungen können einem weiteren Schritt auch Anteilseigner in die Sanierung einbezogen werden, um eine erfolgreiche Reorganisation sicherzustellen. Durch die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital werden sie aber in keiner Weise enteignet. Ihre Vermögensinteressen werden gewahrt und sie können sich aktiv an der Sanierung beteiligen. In der Marktwirtschaft sind vorrangig die Unternehmensbeteiligten für die Sanierung ihrer Unternehmen verantwortlich. Das neue Reorganisationsverfahren bietet einen Rahmen für kollektive Verhandlungslösungen und schiebt Blockademöglichkeiten einzelner Anteilsinhaber einen Riegel vor.

Im Einzelnen:

Bankenrestrukturierung: Das Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) stellt ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem unter Vermeidung von Enteignungen die Schieflage einer systemrelevanten Bank ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems bewältigt werden kann. Zudem wird dafür Sorge getragen wird, dass Eigen- und Fremdkapitalgeber die Kosten der Insolvenzbewältigung so weit wie möglich selbst tragen.

Aus ordnungspolitischen Erwägungen sollten staatliche Eingriffe dann und nur dann Platz greifen, wenn es den Beteiligten nicht gelingt, im Wege von Verhandlungen eine angemessene Bewältigung der Krise zu erreichen. Das in Artikel 1 des Entwurfs enthaltene Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG-E) sieht daher mit Sanierungsverfahren und Reorganisationsverfahren ein zweistufiges Verfahren vor, das einen effektiven Rahmen für kollektive Verhandlungslösungen schaffen soll. Das Verfahren wird ausschließlich auf Initiative des Kreditinstituts selbst eingeleitet und dient der eigenverantwortlichen Krisenbewältigung.

Auf erster Stufe steht ein Sanierungsverfahren, mit dem die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch frühes und entschiedenes Handeln ohne Eingriffe in Drittrechte auf der Ebene der Geschäftsführung bewältigt werden können. Das auf zweiter Stufe stehende Reorganisationsverfahren orientiert sich grundsätzlich an dem bekannten Insolvenzplanverfahren. In dieser Verfahrensstufe können neben den Gläubigern unter strengen Voraussetzungen auch die Anteilseigner einbezogen werden, damit sie einen erfolgversprechenden Reorganisationsplan nicht vereiteln können. Sie werden jedoch nicht enteignet, sondern nehmen als eigene Abstimmungsgruppe aktiv am Planverfahren teil und können so ihre Vermögensinteressen wahren. Insgesamt stellen Sanierungs- und Reorganisationsverfahren damit ein breites Instrumentarium zur Verfügung, von dem je nach den Umständen des Einzelfalls unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht werden kann.

Sind die Beteiligten nicht bereit, aktiv an einer Reorganisation des Kreditinstituts mitzuwirken oder bieten ihre Sanierungsbemühungen keine Gewähr für die Abwendung der Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems, sind staatliche Eingriffe zur Abwendung dieser Gefahren notwendig. Dies ist nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil verhindert werden muss, dass die privaten Akteure eine Verhandlungslösung in der Erwartung scheitern lassen, dass der Staat ohnehin einspringen wird, um die unerwünschten gesamtwirtschaftlichen Schäden abzuwenden. Es muss daher möglich sein, die zur Abwendung der Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems erforderlichen Maßnahmen auch gegen den Willen des Instituts und der an ihm beteiligten Anteilsinhaber ergreifen zu können.

Die hierfür erforderlichen aufsichtsrechtlichen Eingriffsinstrumentarien stellt Artikel 2 des Restrukturierungsgesetzes zur Verfügung. Die dort vorgesehenen Änderungen des Kreditwesengesetzes werden es der BaFin erlauben, die systemrelevanten Teile und Funktionen des Instituts von den Folgen einer bevorstehenden Insolvenz abzuschotten, sofern dies zur Verhinderung negativer Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzmarktes erforderlich ist. Die Abschottung der systemrelevanten Unternehmensteile von den Insolvenzfolgen erfolgt durch eine Übertragung auf einen anderen Rechtsträger. In dieser Übertragung liegt keine Enteignung. Die Aktionäre des notleidenden Instituts behalten weiterhin ihre Aktien. Für die übertragenen systemrelevanten Unternehmensteile erhält dieses Institut Aktien an dem übernehmenden Rechtsträger, so dass sowohl das Institut als auch dessen Anteilsinhaber an den übertragenen Unternehmensteilen beteiligt bleiben.

Bankenabgabe: Die Rettung systemrelevanter Banken darf nicht allein auf Kosten der Steuerzahler gehen. Die Kreditwirtschaft muss durch die Bankenabgabe ihren Beitrag zur Bekämpfung künftiger Krisen und zur Restrukturierung von systemrelevanten Banken leisten. Durch die Bankenabgabe wird zum einen die künftige Haftung des deutschen Steuerzahlers begrenzt. Zum anderen liefert sie einen wichtigen Beitrag zur Krisenprävention, indem die Beitragsbemessung am jeweiligen systemischen Risiko eines Kreditinstituts ausgerichtet ist.

Verlängerung von Verjährungsfristen: Schließlich sollen die Verjährungsfristen für die Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten von börsennotierten Aktiengesellschaften von fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Die Verlängerung der Verjährungsfrist sorgt dafür, dass für die Durchsetzung von Ersatzansprüchen bei Managementfehlern genügend Zeit bleibt, auch wenn Ansprüche erst spät bekannt werden oder sich erst personell neu aufgestellte Gesellschaftsorgane zur Durchsetzung entscheiden. Die Finanzmarktkrise kann so sorgfältig und in Ruhe aufgearbeitet werden. (Quelle: PM)

Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT 17/3024)

Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung (BT 17/3362)

Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT 17/3407)

 

Presse:

FAZ: Banken – Ein Rettungsnetz über 70 Milliarden Euro (28.10.10)

Compliance Magazin: Rettung systemrelevanter Banken

 
Literatur:
Pannen, Das geplante Restrukturierungsgesetz für Kreditinstitute, ZInsO 2010, 2026
Obermüller/Kuder, Die Entwicklung der Gesetzgebung zu Bankinsolvenzen, ZInsO 2010, 2016
Frind, Restrukturierungs-Gesetz-Entwurf: Weniger wäre manchmal mehr, ZInsO 2010, 1921