Das am 17.
April 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie
(EU) 2021/2118 im Hinblick auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung
sieht u.a. die Einführung eines Insolvenzfonds zur Absicherung des Risikos der
Insolvenz des Haftpflichtversicherers vor. Die Aufgaben des Insolvenzfonds
werden dem von den deutschen Kfz-Haftpflichtversicherern schon heute getragenen
Verkehrsopferhilfe e.V., der bereits die Stellung als Entschädigungsfonds und
Entschädigungsstelle nach dem Pflichtversicherungsgesetz innehat, zugewiesen.
Zudem werden die Regelungen der bisherigen nationalen Insolvenzsicherung (§ 12
Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 PflVG a.F.) nach Möglichkeit fortgeführt. Dies gilt
insbesondere für die Subsidiarität des Insolvenzfonds gegenüber anderen
Leistungspflichtigen (insbesondere andere Schadenversicherer,
Sozialversicherungsträger, Amtshaftung). Weitere Fälle von
Entschädigungspflichten der bisherigen nationalen Absicherung werden
beibehalten. Durch Vorgaben an die Finanzierung der Verkehrsopferhilfe (§§ 8b
und 27 PflVG n.F.) und die Genehmigung ihrer Satzung sowie die laufende
Aufsicht zur Finanzierung (§ 25 PflVG n.F.) wird sichergestellt, dass die
Verkehrsopferhilfe im Rahmen satzungsmäßiger Leistungen ausreichende Mittel der
in Deutschland zugelassenen Kfz-Haftpflichtversicherer verfügbar machen kann.
Am
7. Dezember 2022 hat die EU-Kommission den Entwurf einer Richtlinie zur Harmonisierung
verschiedener Aspekte des Insolvenzrechts (COM(2022) 702 final)
veröffentlicht. Gegenstand der Harmonisierung werden danach zunächst nur oder
immerhin folgende Regelungskomplexe: die Etablierung von Mindeststandards für
die Insolvenzanfechtung (Artt. 4 – 12), die Erleichterung der Ermittlung
massezugehöriger Vermögenswerte durch verbesserten Zugang zu Informationen und
Registern (Artt. 13 – 18), Regelungen zu einer vor der Verfahrenseröffnung
vorbereiteten übertragenden Sanierung (Artt. 19 – 35), die Einführung
einer Insolvenzantragspflicht für juristische Personen und die Haftung der Geschäftsleiter
bei Insolvenzverschleppung (Artt. 36 – 37), ein stark vereinfachtes
Eigenverwaltungsverfahren für die Liquidation insolventer Kleinstunternehmen
(Artt. 38 – 57), der Gläubigerausschuss (Artt. 58 – 67) sowie die
verbesserte Zugänglichkeit von Informationen über die nationalen
Insolvenzrechte (Art. 68). Die Richtlinie wird nach ihrem Inkrafttreten (2024?)
der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedürfen, wofür diesen eine Frist von
weiteren zwei Jahren gewährt werden wird (Art. 71).
Die Bundesregierung hatte am 5. Oktober 2022 vorgeschlagen,
im COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – das zugleich in „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung
sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von
Krisenfolgen (Sanierungs- und insolvenzrechtliches
Krisenfolgenabmilderungsgesetz – SanInsKG)“ umbenannt
wird – vorzusehen, dass die Prognose- und Planungszeiträume der §§
19 II 1, 270a I Nr. 1 InsO und des § 50 II Nr. 2 StaRUG jeweils auf 4 Monate
verkürzt werden (§ 4 II SanInsKG). Zugleich soll die
Höchstfrist für die Antragstellung bei Überschuldung von sechs auf acht Wochen
verlängert werden (§ 4a SanInsKG). Beide Regelungen
sollen bis zum Jahresende 2023 gelten. Wichtig ist jedoch, dass bereits ab dem
1. September 2023 der ursprüngliche Prognosezeitraum von 12 Monaten wieder
relevant werden kann, wenn absehbar ist, dass auf Grundlage der ab dem 1.
Januar 2024 wieder auf einen 12-monatigen Zeitraum zu beziehenden Prognose eine
Überschuldung bestehen wird. Das auf dieser Grundlage neu gefasste SanInsKG ist am 9. November 2022 in
Kraft getreten.
Der
Bundestag hat am 25.
Juni 2021 das Gesetz über die Insolvenzsicherung durch
Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften
beschlossen. Hierdurch soll das Insolvenzsicherungssystem für Pauschalreisen
und verbundene Reiseleistungen grundsätzlich neu geregelt werden. Das Gesetz
ist am 1.7. 2021 in Kraft getreten und bis zum 1.11.2021 umzusetzen.
Die
Neuregelung sieht u. a. folgende Eckpunkte vor:
Insolvenzsicherung
über einen Reisesicherungsfonds
Die Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen soll künftig über einen
Reisesicherungsfonds erfolgen. Lediglich für kleine Unternehmen mit einem
jährlichen Pauschalreiseumsatz von weniger als 10 Millionen Euro bleibt eine
Absicherung außerhalb des Fonds, beispielsweise mittels einer Versicherung oder
Bürgschaft, zulässig. Für alle anderen Reiseveranstalter – also für
Reiseveranstalter mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz ab 10 Millionen Euro
– gilt, dass diese einen Absicherungsvertrag mit dem Reisesicherungsfonds
abschließen müssen. Voraussetzung ist wie nach geltendem Recht, dass der
jeweilige Reiseveranstalter gesetzlich zur Insolvenzsicherung verpflichtet ist.
Das ist der Fall, wenn er Vorauszahlungen fordert oder annimmt und/oder der
Pauschalreisevertrag eine Rückbeförderung des Reisenden umfasst. Der
Reisesicherungsfonds gewährleistet dann im Verhältnis zum Reisenden die
Erfüllung der Pflichten des Reiseveranstalters zur Erstattung der
Vorauszahlungen und zum Rücktransport der Reisenden. Die neuen Regelungen
gelten entsprechend auch für Vermittler verbundener Reiseleistungen.
Fondsvermögen
Das Fondsvermögen muss künftig die Insolvenz des umsatzstärksten Reiseanbieters
sowie eines weiteren Reiseanbieters mittlerer Umsatzgröße abdecken. Es müssen
jedoch immer mindestens 15 Prozent des Gesamtmarktes abgedeckt sein. Liegt die
Summe der Marktanteile des größten und des mittleren Reiseanbieters darunter,
ist die Mindestabdeckung von 15 Prozent maßgeblich. Der mögliche Maximalverlust
im Insolvenzfall wird mit 22 Prozent des Umsatzes angenommen, den ein
abgesicherter Reiseanbieter mit Pauschalreisen oder der Vermittlung verbundener
Reiseleistungen erzielt. Das Fondsvermögen wird aus den Entgelten der
Reiseanbieter gebildet. Während der Aufbauphase gilt dies uneingeschränkt,
anschließend kann ein Viertel des erforderlichen Kapitals auch durch eine
unwiderrufliche Kreditzusage gebildet werden. Insgesamt – einschließlich der
Sicherheitsleistungen – soll der Fonds bis zum 31. Oktober 2027 über ein
Zielkapital-Volumen von 750 Millionen Euro verfügen. Die Höhe der Entgelte ist
vom Fonds entsprechend festzusetzen, sie muss in der Aufbauphase aber
mindestens 1 Prozent des Umsatzes der Reiseanbieter betragen. Der Staat sichert
den Reisesicherungsfonds während der Aufbauphase durch eine Bürgschaft oder
Garantie für einen Kredit ab, den der Reisesicherungsfonds im Schadensfall
aufnehmen muss. Die staatliche Absicherung gilt bis 31. Oktober 2027 und deckt
die Differenz zwischen dem vorhandenen Fondsvermögen zuzüglich der Sicherheiten
und dem Zielkapital ab.
Sicherheitsleistung
Der Reisesicherungsfonds kann als Voraussetzung für den Abschluss eines
Absicherungsvertrages mit einem Reiseanbieter verlangen, dass der Reiseanbieter
eine individuelle Sicherheitsleistung stellt. Diese kann in Form einer
Versicherung oder Bankgarantie (jeweils zugunsten des Fonds) beigebracht
werden. Sie beträgt in der Aufbauphase des Fonds (bis zum 31. Oktober 2027)
pauschal mindestens 5 Prozent des Jahresumsatzes. Nach Ende der Aufbauphase
entscheidet grundsätzlich der Fonds über die Höhe der Sicherheiten. Vorgaben
für Mindest- und Höchstsätze der Sicherheitsleistung können jedoch bei Bedarf
per Verordnung geregelt werden.
Aufsicht
und Governance
Die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds wird das Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) übernehmen. Zunächst wird das BMJV –
sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen – eine Erlaubnis für
den Betrieb des Reisesicherungsfonds erteilen. Die Aufnahme des
Geschäftsbetriebs soll dann spätestens zum 1. November 2021 erfolgen. Zu einem
späteren Zeitpunkt kann das BMJV die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds auf
das Bundesamt für Justiz übertragen.
Der
Reisesicherungsfonds hat ausschließlich den Aufbau und den Erhalt von Kapital,
den Abschluss von Absicherungsverträgen und die Abwicklung von möglichen
Schäden zum Gegenstand. Dafür schreibt ihm das RSG eine wirksame und
ordnungsgemäße Geschäftsorganisation vor. Die in diesem Kontext wesentlichen
Interessengruppen (Bund und Länder, Verbraucherinnen und Verbraucher,
Reiseanbieter) werden über einen Beirat einbezogen, der die Geschäftsleitung
des Fonds unterstützt und berät. Einzelheiten dazu sowie zur Erlaubniserteilung
wird die Bundesregierung per Rechtsverordnung regeln, die Anfang Juli 2021 in
Kraft treten soll.
Streichung
der Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro
Die bislang bestehende Möglichkeit der Kundengeldabsicherer,
ihre Haftung auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, wird durch eine Änderung des
§ 651r BGB gestrichen. Der Reisesicherungsfonds haftet für Insolvenzschäden der
bei ihm abgesicherten Reiseanbieter mit dem gesamten Fondsvermögen. Auch
Versicherer und Kreditinstitute, die als Absicherer
tätig werden, haften grundsätzlich unbegrenzt. Sie dürfen ihre Einstandspflicht
nur bei Kleinstunternehmen mit absicherungspflichtigen Umsätzen von weniger als
3 Millionen Euro begrenzen, und zwar auf 1 Million Euro für jeden
Insolvenzfall. Für diese Gruppe von Unternehmen liegen genügend aussagekräftige
Daten vor, um die zu erwartenden Schäden mit hinreichender Sicherheit
einschätzen und den danach angemessenen Höchstbetrag festlegen zu können. Für
Unternehmen mit Umsätzen von 3 Millionen Euro oder mehr ist dies dagegen nicht
der Fall, so dass eine Haftungsbegrenzung hier nicht möglich ist. (Quelle:
BMJV)
Der
Bundestag hat am 17.
Dezember 2020 das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und
Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG)
beschlossen. Kernstück ist ein neues "Gesetz über den Stabilisierungs- und
Restrukturierungsrahmen für Unternehmen" (Unternehmensstabilisierungs- und
-restrukturierungsgesetz – StaRUG), mit dem die
Vorgaben der EU-Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019
(s.u.) in das deutsche Recht umgesetzt werden. Erhebliche Änderungen betreffen
aber auch das Unternehmensinsolvenzverfahren nach der InsO (v.a. Insolvenzgründe,
Zahlungsverbote, [vorläufige] Eigenverwaltung). Das Gesetz tritt nach erfolgter
Zustimmung des Bundesrats bereits am 1.
Januar 2021 in Kraft. Auf Insolvenzverfahren, die vor diesem
Tag beantragt worden sind, sind die bis dahin geltenden Vorschriften weiter
anzuwenden.
Im
Einzelnen:
1) Durch das
StaRUG ist
ein Rechtsrahmen zur Ermöglichung insolvenzabwendender Sanierungen geschaffen
worden, der es Unternehmen ermöglicht, sich auf der Grundlage eines von den
Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans zu sanieren. Mit
diesem Rechtsrahmen wird die Lücke geschlossen, die das geltende
Sanierungsrecht zwischen dem Bereich der freien, dafür aber auf den Konsens
aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits und der
insolvenzverfahrensförmigen Sanierung mit ihren Kosten und Nachteilen gegenüber
der freien Sanierung gelassen hat. Dieser Restrukturierungsrahmen soll es dem
Unternehmen grundsätzlich ermöglichen, die Verhandlungen zu dem Plan selbst zu
führen und den Plan selbst zur Abstimmung zu stellen. Die Instrumentarien des
Rahmens stehen im Stadium der drohenden und noch nicht eingetretenen
Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung. Vollstreckungs- und Verwertungssperren zur
Wahrung der Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsvorhabens sind in Zukunft erwirkbar, wenn die Restrukturierung gut vorbereitet ist
und wenn das Unternehmen während des Verfahrens fortgeführt werden kann. Liegen
bereits Rückstände gegenüber Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern, dem
Finanzamt oder Lieferanten vor oder ist das Unternehmen in den letzten drei
Jahren nicht seinen Rechnungslegungspflichten nachgekommen, sind solche Sperren
nur erwirkbar, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten
ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, die Restrukturierung unter
Wahrung der Interessen der Gläubigerschaft zu betreiben.
2) In der
InsO werden die Überschuldung
und die drohende
Zahlungsunfähigkeit stärker voneinander abgegrenzt. Zwar wird
auch weiterhin eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der für die
Überschuldungsprüfung vorzunehmenden Fortführungsprognose zu berücksichtigen
sein. Jedoch soll das Konkurrenzproblem dadurch entschärft werden, dass der
Überschuldungsprüfung ein Prognosezeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen
ist, wohingegen die Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig im
Rahmen eines zweijährigen Prognosezeitraums erfolgen soll. Zudem soll der
maximale Zeitraum für die Antragspflicht bei Überschuldung auf sechs Wochen
erhöht werden, um dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, Sanierungen im
präventiven Restrukturierungsrahmen oder auf der Grundlage eines
Eigenverwaltungsverfahrens ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten.
Der neue § 15b InsO
verlagert die Haftungsvorschriften für Zahlungen der Geschäftsleitung nach
Eintritt der Insolvenzreife (etwa § 64 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG, 130a HGB)
nun rechtsformübergreifend in die InsO. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen
Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der
Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, ziehen nunmehr trotz Vorliegens
einer Überschuldung keine Haftung nach sich.
Die
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Eigenverwaltung werden stärker an die
Zwecke der Eigenverwaltung und die Interessen der Gläubigerschaft rückgebunden.
Der in der Anordnung der Eigenverwaltung liegende Vertrauensvorschuss ist
insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner das Eigenverwaltungsverfahren
rechtzeitig und gewissenhaft vorbereitet, bevor er unter den von einer akuten
Zahlungsunfähigkeit ausgehenden Handlungsdruck gerät. In anderen Fällen soll
die Eigenverwaltung zwar nicht ausgeschlossen sein, jedoch nur in Betracht
kommen, wenn die prima facie nicht auszuschließenden Nachteile für die
Gläubigerschaft nicht bestehen. Darüber hinaus sollen bislang ungeregelt
gebliebene Einzelfragen zum Eigenverwaltungsverfahren einer Regelung zugeführt
werden wie z.B. die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von
Masseverbindlichkeiten sowie die Haftung der Geschäftsleiter
haftungsbeschränkter Unternehmensträger. (Quelle: RegE)
Der
Bundestag hat am 25.
März 2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der
COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht
beschlossen. Teil der Neuregelung ist das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung
der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch
die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG). Im Insolvenzrecht der
juristischen Personen werden hiernach die Insolvenzantragspflicht und die
Zahlungsverbote bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, es sei denn die
Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie oder es besteht
keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit.
Zudem werden Anreize geschaffen, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität
zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten. Für
einen dreimonatigen Übergangszeitraum wird auch das Recht der Gläubiger
suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen.
Die
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung (nicht aber bei
Zahlungsunfähigkeit) wurde durch Gesetz vom 17. September 2020 bis zum 31. Dezember 2020 verlängert
(s. BT-Drs. 19/22178 u. 19/22593, BR-Drs. 542/20).
Durch Art.
10 des am 17. Dezember
2020 beschlossenen Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und
Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG)wurde
das COVInsAG erneut geändert; u.a. wurde die
Insolvenzantragspflicht für einen weiteren Monat ausgesetzt, aber nur für den
Fall, dass wenn der Schuldner einen unerledigten aussichtsreichen Antrag auf
die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme
zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt hat (§ 1 III CoVinsAG). Mit diesem beschränkten Inhalt ist die
Aussetzung durch Gesetz vom 28. Januar 2021 bis Ende April 2021 verlängert
worden.
Ferner wurde
u.a. ein Anfechtungsschutz für pandemiebedingte Stundungen geschaffen: Die bis
Ende März 2022 geleisteten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von Stundungen,
die bis zum 28. Februar 2021 gewährt worden sind, gelten als nicht
gläubigerbenachteiligend. Voraussetzung ist, dass gegenüber dem Schuldner ein
Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung noch nicht
eröffnet worden ist.
·
Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen
·
Ergänzende Stellungnahme des VID
Im Rahmen
der Maßnahmen zur Umsetzung der "Restrukturierungsrichtlinie" hat der
Bundestag am 17. Dezember 2020 das "Gesetz
zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens"
beschlossen. Es wird nach Billigung durch den Bundesrat rückwirkend zum 1. Oktober 2020 in
Kraft treten.
Die
"Restrukturierungsrichtlinie" (s.u.) sieht vor, dass insolvente
Unternehmer Zugang zu mindestens einem Verfahren haben müssen, das ihnen eine
volle Entschuldung nach spätestens drei Jahren ermöglicht. Darüber hinaus
hatten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass an die Insolvenz geknüpfte
Verbote der Ausübung gewerblicher, geschäftlicher, handwerklicher oder
freiberuflicher Tätigkeiten mit Ablauf der Entschuldungsfrist ohne Weiteres
außer Kraft treten. Den Anforderungen der Richtlinie genügte das bisherige
Recht nicht vollständig. Nach §§ 287 II, 300 I InsO a.F. betrug die reguläre
"Wohlverhaltensfrist" für eine Restschuldbefreiung sechs Jahre. Eine
Restschuldbefreiung binnen der von der Richtlinie vorgegebenen Dreijahresfrist
war nur möglich, wenn es dem Schuldner gelang, die Verfahrenskosten zu decken
und die Insolvenzforderungen zu 35 Prozent zu befriedigen. Zudem traten
Tätigkeitsverbote, die an die Insolvenz anknüpfen können, nicht ohne Weiteres
mit Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft (vgl. § 35 VI GewO).
Das Gesetz
sieht in seinem Kern eine Verkürzung des regelmäßigen
Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf künftig drei Jahre vor.
Auf die Erfüllung besonderer Voraussetzungen wie die Deckung der
Verfahrenskosten oder die Erfüllung von Mindestbefriedigungsanforderungen wird
künftig verzichtet.
Das
dreijährige Restschuldbefreiungsverfahren soll für alle ab dem 1. Oktober 2020
beantragten Insolvenzverfahren gelten, um bereits diejenigen Schuldner bei
einem wirtschaftlichen Neuanfang zu unterstützen, die durch die
COVID-19-Pandemie in die Insolvenz geraten sind. Die zwischen dem 17. Dezember
2019 und 1. Oktober 2020 beantragten Restschuldbefreiungsverfahren sollen
schrittweise verkürzt werden.
Das
verkürzte Verfahren steht grundsätzlich allen Schuldnern offenstehen, nicht nur
den unternehmerisch tätigen. Für Verbraucher wird es aber zunächst bis zum 30.
Juni 2025 befristet werden. Die Entscheidung über eine Entfristung soll auf
Grundlage eines von der Bundesregierung bis zum 30. Juni 2024 zu erstattenden
Berichts getroffen werden. Dieser Bericht soll sich mit den Auswirkungen der
Verfahrensverkürzung auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von
Verbraucherinnen und Verbrauchern befassen. Darüber hinaus soll er auf etwaige
Hindernisse eingehen, die von den bestehenden Möglichkeiten der Speicherung
insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien für einen wirtschaftlichen
Neustart nach der Restschuldbefreiung ausgehen. Hintergrund dieser Bestimmung
ist, dass die noch im Referentenentwurf vorgesehene Höchstfrist von einem Jahr
für die Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien nicht
in das Gesetz übernommen wurde.
Für den Fall
einer erneuten Insolvenz wird die Sperrfrist für die erneute Erlangung einer
Restschuldbefreiung von derzeit zehn auf elf Jahre und das
Restschuldbefreiungsverfahren von derzeit drei auf fünf Jahre verlängert.
Ferner werden die Schuldner in der sog. „Wohlverhaltensphase“ stärker zur
Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen. Außerdem kann die
Restschuldbefreiung künftig versagt werden, wenn in der Wohlverhaltensphase
unangemessene Verbindlichkeiten begründet werden.
Schließlich
sieht das Gesetz vor, dass Tätigkeitsverbote, die allein aufgrund der Insolvenz
des Schuldners ergangen sind, nach Erteilung der Restschuldbefreiung
automatisch außer Kraft treten.
Am 14. November 2019 ist
das Gesetz zur Regelung der
Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in
Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur
Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften vom Bundestag
beschlossen worden. U.a. soll die Spezialisierung der Gerichte in Zivilsachen
ausgebaut und zu diesem Zweck der Katalog der obligatorischen
Spezialspruchkörper bei den LG und OLG um die Rechtsmaterien erweitert werden,
welche das Erbrecht, insolvenzbezogene Streitigkeiten und Anfechtungssachen
nach dem AnfG sowie Pressesachen betreffen. Außerdem sollen die Landesregierungen
ermächtigt werden, landesweit weitere spezialisierte Spruchkörper einzurichten
und Rechtsstreitigkeiten an ausgesuchten Gerichten zu konzentrieren.
Betroffen
sind u.a.:
Die
Änderungen der ZPO sind am 1.Januar 2020 in Kraft getreten; im Übrigen tritt
das Gesetz zu Jahresbeginn 2021 in Kraft.
Nach
Bekanntmachung im Amtsblatt der EU ist die “Restrukturierungsrichtlinie"
(Richtlinie (EU) 2019/1023 ... vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über
Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der
Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur
Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und
Insolvenz)) am 16. Juli 2019 in Kraft getreten. Die Umsetzungsfrist
für die Mitgliedstaaten beträgt nach Art. 34 der RL grundsätzlich zwei Jahre,
bei Geltendmachung besonderer Umsetzungsschwierigkeiten drei Jahre.
Das
übergreifende Ziel der Richtlinie ist es, die Hindernisse für den freien
Kapitalverkehr abzubauen, die sich aus den unterschiedlichen Restrukturierungs-
und Insolvenzrahmen der Mitgliedstaaten ergeben, und die Sanierungskultur in
der EU nach dem Grundsatz der zweiten Chance zu verbessern. Ferner zielen die
neuen Regeln darauf ab, die Anzahl der notleidenden Kredite in den Bankbilanzen
zu verringern und eine Anhäufung derartiger notleidender Kredite in Zukunft zu
vermeiden. Dabei soll ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen
der Schuldner und denen der Gläubiger hergestellt werden.
Zu den
wichtigsten Elementen der neuen RL gehört Folgendes:
Zum Inhalt
im Einzelnen s. etwa hier und hier.
Mit dem
Jahressteuergesetz 2018 sind die Regelungen zur körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen
Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen rückwirkend zum 8.2.2017
in Kraft getreten. Grundsätzlich entfällt damit die Besteuerung eines
Sanierungsgewinns, der entstehen kann, wenn sich der selbstständige Schuldner
über einen außergerichtlichen Vergleich oder einen Insolvenzplan mit seinen
Gläubigern vergleicht. § 3a Abs. 1 S. 1 EStG bestimmt:
„Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum
Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des Absatzes 2
(Sanierungsertrag) sind steuerfrei.“. Dies gilt auf Antrag des
Steuerpflichtigen auch für Sanierungen, die vor dem 8.2.2017 (Tag der
Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats des BFH) erfolgten. Die
Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung entsprechen weitgehend
denen des Sanierungserlasses. Eine Doppelbegünstigung durch Steuerfreiheit von
Sanierungsgewinnen und Fortführung von Verlustvorträgen ist aber nunmehr
ausgeschlossen. Neu ist zudem, dass die Steuerfreiheit auch für die
Gewerbesteuer gilt.
Der Deutsche
Bundestag hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 die Bundesregierung
beauftragt, die Erfahrungen mit der Anwendung des ESUG fünf Jahre nach dessen
Inkrafttreten unter Berücksichtigung der nachstehenden Fragen zu evaluieren und
dem Deutschen Bundestag unverzüglich Bericht zu erstatten:
1. In welchem Umfang hat
sich der stärkere Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des
Insolvenzverwalters auf dessen Unabhängigkeit ausgewirkt? Ist es im
nennenswerten Umfang vorgekommen, dass im Interesse einzelner Gläubiger
Verwalter bestellt wurden, an deren Unabhängigkeit erhebliche Zweifel bestanden
haben?
2. Wurde von der
Möglichkeit, über einen Insolvenzplan in die Rechtsstellung von Gesellschaftern
einzugreifen, Gebrauch gemacht und wie hat sich dies auf die
Schuldnerunternehmen ausgewirkt? In welchem Umfang wurden Forderungen in
Eigenkapital umgewandelt, und hat dieser Debt-Equity-Swap im nennenswerten
Umfang grob egoistische Strategien ermöglicht, die sich letztlich zum Nachteil
der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer ausgewirkt haben?
3. Wird das neu geschaffene
„Schutzschirmverfahren“ des § 270b InsO den Erwartungen gerecht und hat es
insbesondere zu einer frühzeitigen Antragstellung und zu einer Stärkung der
Eigenverwaltung geführt? Wird trotz § 270b InsO noch ein Bedürfnis für ein vorinsolvenzliches
Sanierungsverfahren gesehen?
4. Ist die
Aufgabenverteilung zwischen Richter und Rechtspfleger angemessen oder sollte im
Interesse einer effektiven Verfahrensabwicklung die funktionelle Zuständigkeit
neu austariert werden?
Das BMJV hat
zur Vorbereitung des Berichts eine Forschergemeinschaft, bestehend aus Prof.
Dr. Florian Jacoby, Prof. Dr. Stephan Madaus, Prof. Dr. Detlef Sack, Heinz
Schmidt und Prof. Dr. Christoph Thole, mit der Durchführung einer
rechtstatsächlichen und rechtswissenschaftlichen Untersuchung zur Wirkungsweise
des ESUG und der Prüfung der oben aufgeführten Fragen beauftragt. Die
Forschergemeinschaft hat am 30. April 2018 ihren Bericht vorgelegt.
Im
Wesentlichen lassen sich die Ergebnisse des Berichts wie folgt zusammenfassen:
Die durch
das ESUG eingeführten Änderungen wurden in den vergangenen fünf Jahren von der
Praxis weitgehend positiv angenommen, eine Rückkehr zum früheren Recht ist
nicht veranlasst. Die statistische Analyse zeigt, dass die mit dem ESUG neu
geschaffenen Verfahrensmöglichkeiten im Auswertungszeitraum in ihrer Breite und
in unterschiedlichen Kombinationen genutzt worden sind. Auch die Befragung der
Expertinnen und Experten weist überwiegend positive Erfahrungen mit der Reform
aus. Bei den im Evaluationsbericht vorgeschlagenen Reformen handelt es sich um
Korrekturen in – wenn auch teils nicht unbedeutenden – Einzelfragen, ohne dass
hierdurch die grundsätzliche Ausrichtung des ESUG in Frage gestellt würde.
Zu den
einzelnen Fragen des Evaluierungsauftrags trifft der Bericht im Wesentlichen
folgende Aussagen:
1. Es ist
nicht festzustellen, dass die Stärkung der Gläubigerrechte bei der Auswahl von
Insolvenzverwaltern zu einer Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit geführt hat.
Die Frage, ob es häufig vorgekommen ist, dass im Interesse einzelner Gläubiger
Insolvenzverwalter bestellt wurden, an deren Unabhängigkeit erhebliche Zweifel
bestanden, wird von den befragten Expertinnen und Experten überwiegend
verneint.
2. Das
Insolvenzplanverfahren funktioniert nach der überwiegenden Einschätzung der
Befragten im Wesentlichen gut, der praktische Anwendungsbereich für
Planlösungen hat sich durch das ESUG erheblich erweitert. Die
rechtswissenschaftliche Bewertung zeigt darüber hinaus, dass die durch das ESUG
geschaffene Möglichkeit, im Insolvenzplanverfahren in die Rechte von
Gesellschaftern einzugreifen, nahezu allgemein begrüßt wird und dass die
rechtlichen Auseinandersetzungen in diesem Bereich eher die zulässige Reichweite
entsprechender Eingriffe betreffen. Der empirische Befund zeigt, dass die neuen
Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis für eine Vielzahl
gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen zum Einsatz kommen, namentlich für
Anteilsübertragungen, Kapitalschnitte und Umwandlungsmaßnahmen. Insbesondere im
Bereich der Umwandlungsmaßnahmen wird Klärungsbedarf gesehen, ob und in welchem
Umfang bestimmte Regelungen des Umwandlungsgesetzes von den Vorschriften über
das Insolvenzplanverfahren verdrängt werden.
Der
Debt-Equity-Swap wird offenbar wenig genutzt. Die Frage, ob dann, wenn in einem
Insolvenzplan gesellschaftsrechtliche Regelungen enthalten waren, in den
meisten Fällen Forderungen in Eigenkapital umgewandelt wurden, wird von den
Expertinnen und Experten überwiegend verneint. Unter den „wichtigen Maßnahmen
im Insolvenzplan“ wird der Debt-Equity-Swap an dritter Stelle nach
Anteilsübertragungen an einen Erwerber und Kapitalschnitten genannt. Negative
Auswirkungen von Debt-Equity-Swaps auf die betroffenen Unternehmen und ihre
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden nicht festgestellt.
3. Das
Schutzschirmverfahren wird mit 300 erfassten Verfahren im Auswertungszeitraum
insgesamt weniger häufig in Anspruch genommen als die vorläufige
Eigenverwaltung nach § 270a InsO (868 erfasste Verfahren). Da keine
Veröffentlichungspflicht besteht, ist allerdings davon auszugehen, dass nicht
alle Verfahren erfasst werden konnten. Von den bekannten Verfahren, welche im
Schutzschirmverfahren begonnen haben, wurde etwas mehr als die Hälfte (54,33 %)
jedenfalls zunächst auch im eröffneten Verfahren in Eigenverwaltung
fortgeführt. Die befragten Expertinnen und Experten sind mehrheitlich
skeptisch, ob das Schutzschirmverfahren zu einer frühzeitigen
Insolvenzantragstellung geführt hat. Auch dass das Schutzschirmverfahren
gegenüber der vorläufigen Eigenverwaltung erhebliche Vorteile biete, wird von
ihnen überwiegend verneint. Zugleich wird aber beispielsweise das in dieser
Form nur im Schutzschirmverfahren dem Schuldner eingeräumte Recht, den
Sachwalter selbst vorzuschlagen, überwiegend als sinnvoll und wichtig sowie als
entscheidend für die Wahl dieser Verfahrensart angesehen.
Insgesamt
machen Eigenverwaltungsverfahren nur einen kleinen Teil der in Deutschland
durchgeführten Insolvenzverfahren aus. Die befragten Expertinnen und Experten
sind dabei überwiegend nicht der Ansicht, dass die Eigenverwaltung insgesamt zu
häufig oder die vorläufige Eigenverwaltung häufig bei dafür nicht geeigneten
Schuldnern angeordnet werde. Sie unterstützen allerdings zugleich mehrheitlich
die Forderungen nach klar definierten Ablehnungsgründen für die Eigenverwaltung
und nach vereinfachten Möglichkeiten zu ihrer Aufhebung.
Ein
zwingendes Bedürfnis für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren besteht
nach den Ergebnissen der Befragung nicht. Im Hinblick auf die zu erwartenden
Vorgaben für die Einführung eines solchen Verfahrens aufgrund des derzeit
verhandelten Vorschlags für eine europäische Richtlinie über präventive
Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der
Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren bietet
sich ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren nur als „weitere Option“ neben
den insolvenzrechtlichen Verfahrensarten an.
4. Die
Aufgabenverteilung zwischen Richter- und Rechtspflegerschaft
hat sich im Wesentlichen bewährt.
Die
Bundesregierung plant, die Ergebnisse des Evaluationsberichts im engen
Austausch mit den betroffenen Kreisen eingehend zu prüfen. Die Ergebnisse der
Evaluierung sollen auch bei der Umsetzung der Richtlinie über präventive
Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der
Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren, die
demnächst verabschiedet werden
soll, berücksichtigt werden. [Quelle: Bericht der BReg v. August 2018]
Evaluationsbericht der
Forschergemeinschaft [pdf]
Das Gesetz
zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte
vom 15. Juli 2013 war nach Art. 107 EGInsO durch die Bundesregierung für den
Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2018 zu evaluieren. Die Evaluation sollte
insbesondere untersuchen, in wie vielen Fällen bereits nach drei Jahren eine
Restschuldbefreiung erteilt und somit das gesetzgeberische Ziel, in einer
namhaften Anzahl von Fällen einen schnellen wirtschaftlichen Neustart zu
ermöglichen, erreicht werden konnte. Das BMJV hat die Evaluierung durchgeführt.
Nach den
vorliegenden Daten konnte das geschaffene Anreizsystem nicht die
erhoffte Effektivität erzielen; es gelang bislang nur sehr wenigen
Schuldnerinnen und Schuldnern die gesetzlich geforderte Mindestquote von 35
Prozent der angemeldeten Insolvenzforderungen nebst den Kosten des Verfahrens
zu befriedigen, um vorzeitig Restschuldbefreiung erhalten zu können. Der Anteil
der Schuldner, die eine vorzeitige Restschuldbefreiung erlangen konnten, liegt
bei deutlich unter 2 Prozent und verfehlt daher die vom Rechtsausschuss des
Deutschen Bundestags vorgegebene Zielmarke von 15 Prozent deutlich.
Ein
Vergleich zwischen den Befriedigungsquoten in den Insolvenz- und
Restschuldbefreiungsverfahren, die unter dem bis 30. Juni 2014 geltenden Recht
durchgeführt wurden, und den Verfahren, die unter dem ab 1. Juli 2014 geltenden
Recht durchgeführt wurden und werden, ist derzeit nicht aussagekräftig möglich,
weil der weit überwiegende Teil der nach der Rechtsänderung beantragten
Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.
Angesichts
der deutlichen Verfehlung der Zielgröße von 15 Prozent bestünde nach den
Vorstellungen des historischen Gesetzgebers gesetzgeberischer Handlungsbedarf.
Da eine Anpassung der nationalen Regelungen allerdings auch die Vorgaben zu
beachten hätte, die der europäische Gesetzgeber auf dem Gebiet schafft,
empfiehlt die Bundesregierung, die Erkenntnisse aus dieser Evaluierung zunächst
in die Verhandlungen zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über
präventive Restrukturierungsrahmen einfließen zu lassen. Dieser
Richtlinienvorschlag enthält auch Regelungen zu einer Restschuldbefreiung
natürlicher Personen und sieht insoweit vor, dass eine Restschuldbefreiung in
der Regel nach drei Jahren zu erteilen ist. Eine Mindestbefriedigungsquote
sieht er nicht vor. [Quelle: Bericht der BReg vom Juni 2018]
Am
10. März 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Erleichterung der
Bewältigung von Konzerninsolvenzen (KIG) beschlossen; es wird am
21. April 2018 in Kraft treten (BGBl I, 886). Das Gesetz sieht als
dritte Stufe der Insolvenzrechtsreform Änderungen der Insolvenzordnung vor, die
den spezifischen Besonderheiten von Konzerninsolvenzen Rechnung tragen. Ziel
des Gesetzes ist es, die im Falle einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden
Einzelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger Unternehmen besser
aufeinander abzustimmen.
Das
Gesetz schafft zum einen Gerichtsstandsregelungen,
die es ermöglichen sollen, dass sämtliche Verfahren an einem Insolvenzgericht
anhängig gemacht werden können (§ 3a InsO n.F.). Am Gericht des
Gruppen-Gerichtsstands ist für Gruppen-Folgeverfahren der Richter zuständig,
der für das Verfahren zuständig ist, in dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet
wurde (§ 3b InsO n.F.). Für den Fall, dass Verfahren an mehreren Gerichten
geführt werden, wird die Möglichkeit einer Verweisung an ein einziges Gericht
geschaffen (§ 3d InsO n.F.).
Für
die Fälle, in denen Verfahren an mehreren Gerichten geführt werden oder in
denen mehrere Verwalter bestellt worden sind, schafft der Entwurf
Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltern und den
Gerichten. Der Entwurf erkennt dabei die schon nach geltendem Recht bestehenden
Kooperationspflichten der Verwalter an und schafft Grundlagen für die
zwischengerichtliche Zusammenarbeit (§§ 269a - 269c InsO n.F.). Insbesondere
sollen die Gerichte verpflichtet werden, sich in der Frage abzustimmen, ob zur
Minimierung von Reibungsverlusten im Zuge von Abstimmungserfordernissen eine
Person in mehreren oder allen Verfahren zum Verwalter bestellt werden kann (§
56b InsO n.F.).
Zum
anderen geht der Entwurf mit der Schaffung eines Koordinationsverfahrens neue
Wege (§§ 269d ff. InsO n.F.). Das Koordinationsverfahren soll die Abstimmung
der Einzelverfahren verbessern, ohne die Selbständigkeit der Einzelverfahren in
Frage zu stellen. In seinem Rahmen soll aus dem Kreis der Verwalter eine Person
als Verfahrenskoordinator mit der Abstimmung der Einzelverfahren betraut
werden. Seine Aufgabe besteht darin, Vorschläge für die abgestimmte
Insolvenzverwaltung auszuarbeiten. Eine besondere Stellung nimmt dabei der vom
Verfahrenskoordinator vorzulegende und vom Koordinierungsgericht zu
bestätigende Koordinationsplan ein, der als Referenzplan für die auf der Ebene
der Einzelverfahren, insbesondere auf der Grundlage von Insolvenzplänen, zu
ergreifenden Maßnahmen dient.
Der
Bundestag hat am 16. Februar 2017 das Gesetz zur Verbesserung der
Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem
Anfechtungsgesetz in der durch den Rechtsausschuss am Vortag modifizierten Fassung beschlossen. Mit der Neuregelung
wird das Ziel verfolgt, den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der derzeitigen Praxis des
Insolvenzanfechtungsrechts ausgingen.
Das
Gesetz sieht im Wesentlichen folgende Neuregelungen vor:
Vorsatzanfechtung
(§ 133 InsO): Zum
Schutz des Wirtschaftsverkehrs wird die Vorsatzanfechtung von
Deckungshandlungen erschwert. Dies sind Handlungen, die einem
Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen,
insbesondere Zahlungen auf erbrachte Lieferungen und Leistungen. Für die
Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen soll ein deutlich verkürzter
Anfechtungszeitraum von vier (anstatt bislang zehn) Jahren gelten. Die
Vorsatzanfechtung soll noch weiter eingeschränkt werden, wenn die gewährte
Deckung kongruent ist, d.h. der Gläubiger die Bestellung der Sicherheit oder
die Erfüllung der Forderung zu der Zeit und in der Art zu beanspruchen hatte.
Anders als bislang, sollen diese Deckungen grundsätzlich erst dann anfechtbar
sein, wenn der Gläubiger erkannt hat, dass der Schuldner bereits
zahlungsunfähig war. Die Kenntnis der bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit soll
nicht mehr genügen. Darüber hinaus werden Gläubiger, die ihren Schuldnern
Zahlungserleichterungen zur Überwindung vorübergehender
Liquiditätsschwierigkeiten gewähren, Gewissheit haben, dass dies für sich
genommen eine Vorsatzanfechtung nicht begründen kann. Zugunsten jener Gläubiger
wird gesetzlich vermutet, dass sie bei später erhaltenen Zahlungen die
Zahlungsunfähigkeit ihres Schuldners nicht kannten. Um einen
Anfechtungsanspruch zu begründen, muss der Insolvenzverwalter das Gegenteil
beweisen. Die genannten Einschränkungen der Anfechtbarkeit gelten nicht für
unredliche Vermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen. Wer bei solchen
Handlungen „mitmacht“, verdient keinen Schutz. Deshalb verbleibt es insoweit
beim bisherigen Recht, insbesondere bei dem zehnjährigen Anfechtungszeitraum.
Bargeschäft
(§ 142 InsO): Bargeschäfte
sollen künftig nur noch dann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der
Schuldner unlauter handelte und der Gläubiger dies erkannt hat. Um die
Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, die in Bezug auf die Anfechtbarkeit von
Lohnzahlungen bestehen, soll darüber hinaus gesetzlich klargestellt werden,
dass ein Bargeschäft gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung
und Lohnzahlung drei Monate nicht übersteigt. Das ist der Zeitraum, den bisher
schon das Bundesarbeitsgericht seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt hat.
Verzinsung
des Anfechtungsanspruchs (§ 143 InsO): Anfechtungsansprüche sollen künftig nur noch
nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder ab Klageerhebung verzinst
werden. Dadurch sollen bestehende Fehlanreize zu einer schleppenden
Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen beseitigt und der Rechtsverkehr besser
vor einer übermäßigen Zinsbelastung geschützt werden.
Inkongruenzanfechtung
(§ 131 InsO): Durch
den Rechtsausschuss gestrichen wurde eine Bestimmung des Regierungsentwurfs,
wonach die in der Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe der
"Vollstreckungsinkongruenz" explizit für unzulässig erklärt worden
wäre (§ 131 Abs. 1 S. 2 InsO i.d.F. des RegE). Der Ausschuss hat damit der
verbreitet geäußerten Kritik, dass diese Regelung aufgrund der Möglichkeit der
Selbsttitulierung eine ungerechtfertigte Privilegierung hoheitlicher
Rechtsträger gegenüber privaten Gläubigern bewirke, Rechnung getragen.
Die
EU-Kommission hat am 22.11.2016 zum ersten Mal ein europäisches
Maßnahmenpaket zu Unternehmensinsolvenzen vorgelegt. Diese Initiative ist
Teil des Aktionsplans zur Schaffung einer Kapitalmarktunion und der
Binnenmarktstrategie. Die vorgeschlagene Richtlinie (COM(2016) 723 final) konzentriert
sich auf drei wesentliche Elemente:
Mit
den neuen Vorschriften werden die folgenden wesentlichen Grundsätze festgelegt,
mit denen sichergestellt werden soll, dass der Insolvenz- und der
Umstrukturierungsrahmen EU-weit kohärent und effizient sind:
(Quelle:
PM EU-Kommission vom 22.11.2016)
Aktionsplan zur
Kapitalmarktunion von 2015
Der
am 19. Oktober 2016 vorgelegte (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur
Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren passt die
Bestimmungen der zum 26. Juni 2017 in Kraft tretenden Neufassung der EuInsVO in
das deutsche Verfahrensrecht ein. Er sieht insbesondere die Einführung eines
neuen Artikels 102c EGInsO vor, der sich an den geltenden Bestimmungen des
Artikels 102 EGInsO orientiert. Der neue Artikel 102c EGInsO berücksichtigt
jedoch auch die Ergänzungen und Änderungen, die die Neufassung im Vergleich zur
geltenden Fassung erfahren hat. Er enthält insbesondere Bestimmungen zu den in
der Neufassung erstmals vorgesehenen Rechtsbehelfen und gerichtlichen
Entscheidungen, zur örtlichen Zuständigkeit bei sogenannten Annexverfahren, zu
verfahrensrechtlichen Einzelheiten der „synthetischen“ Abwicklung von
Sekundärinsolvenzverfahren und zu Einzelfragen bei der Bewältigung der
Insolvenz der Mitglieder von Unternehmensgruppen. Da die derzeit geltende
Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 auch über den 26. Juni 2017 hinaus
für die bis dahin eröffneten Verfahren gelten wird (Artikel 84 Absatz 2 der
Neufassung), soll Artikel 102 EGInsO daneben bestehen bleiben. Eine
"große" Lösung, die auch die Bestimmungen des nationalen
internationalen Insolvenzrechts (§§ 335 ff InsO) inhaltlich an die geänderte
EuInsVO angleicht, ist nicht vorgesehen.
Der
Gesetzentwurf enthält zugleich eine Entschärfung der Strafbarkeit bei nur
formal unrichtigem Insolvenzantrag. Hat ein Antragsteller nicht alle
Formalien erfüllt, soll es ihm zukünftig möglich sein, das Fehlende noch
innerhalb von drei Wochen ab gerichtlicher Anforderung nachzureichen. Ferner
wird die bislang auf § 4 InsO in Verbindung mit § 139 ZPO gestützte Praxis der
Insolvenzgerichte, bei unzulässigen Eröffnungsanträgen im Wege der
Zwischenverfügung auf einen ordnungsgemäßen Antrag hinzuwirken, explizit im
Gesetz geregelt.
Zu
den Stellungnahmen s. hier.
Das
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2016 (IX ZR 314/14) gab der
Bundesregierung Anlass zu einem (Regierungs-)Entwurf vom 14. September 2016 mit
dem Vorschlag, § 104
InsO zur Klarstellung und Präzisierung der rechtlichen Grundlagen für das
vertragliche Liquidationsnetting neu zu fassen und
die durch das Urteil des Bundesgerichtshofs entstandenen Rechtsunsicherheiten
zu beseitigen. Der Bundestag hat das Gesetz am 1. Dezember 2016 in der
vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drucks. 18/10470) beschlossen. Das Gesetz ist am
29.12.2016 in Kraft getreten (BGBl. I, 3147) und enthält neben einer am
1.1.2017 gültigen Fassung des § 104 InsO eine rückwirkende Regelung für alle
Insolvenzverfahren, die ab dem 10. Juni 2016 beantragt worden sind (Art. 105a
EGInsO). Zu den Stellungnahmen s. hier.
Nach der revidierten Fassung der EuInsVO soll
es für eigentlich rentable Unternehmen, die von der Wirtschaftskrise überrollt
wurden, einen Rettungsanker in Form einer zweiten Chance geben. Instrumente
hierfür sind etwa die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf
"präventive" Verfahren und Verfahren in Eigenverwaltung, eine
Klarstellung des COMI-Begriffs verbunden mit einer Verbesserung des
prozessualen Rahmens für die Prüfung der gerichtlichen Zuständigkeit, die
Einführung von internetbasierten Insolvenzregistern und deren Verknüpfung, die
Umstrukturierung der Sekundärverfahren und die Einführung von Regeln zur
Konzerninsolvenz. So sah es bereits ein Vorschlag zur Aktualisierung der in der
EuInsVO für grenzüberschreitende Unternehmensinsolvenzen geltenden Bestimmungen
vor, den die Kommission am 12. Dezember 2012 vorgelegt hatte. Die Neufassung der Verordnung
ist nunmehr vom Europäischen Parlament am 20. Mai 2015 verabschiedet
worden und tritt am 26. Juni 2017 in Kraft.
Der
Bundestag hatte am 17. Mai 2013 das Gesetz zur Verkürzung des
Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte
in der durch den Rechtsausschuss vorgeschlagenen Fassung
verabschiedet. Das Gesetz enthält Regelungen zur Verkürzung und Umgestaltung
des Restschuldbefreiungsverfahrens, Öffnung des Planverfahrens für
Verbraucherinsolvenzverfahren, Stärkung der Gläubigerrechte und zur
insolvenzrechtlichen Sicherung der Mitgliedschaft in einer
Wohnungsgenossenschaften. Nachdem das Gesetz den Bundesrat ohne Änderungen
passiert hatte, ist es nunmehr im wesentlichen am 1. Juli 2014 in Kraft
getreten.
Verkürzung
und Umgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens
Die Neuregelungen eröffnen Schuldnern die Möglichkeit, die Dauer des
Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre zu
verkürzen. Diese Möglichkeit besteht, wenn es dem Schuldner gelingt, innerhalb
der ersten drei Jahre des Verfahrens mindestens 35% der Gläubigerforderungen
und die Verfahrenskosten zu begleichen. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung ist
zudem nach fünf Jahren vorgesehen, wenn zumindest die Verfahrenskosten
beglichen werden können. Im Übrigen bleibt es bei der derzeitigen Dauer des
Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs Jahren.
Mit dieser differenzierten Regelung sucht das Gesetz einen Ausgleich zwischen
den Interessen des Schuldners an einer möglichst schnellen Restschuldbefreiung,
die ihm eine "zweite Chance" eröffnet, und den Interessen der
Gläubiger an der Realisierung der ihnen zustehenden Forderungen. Gleichzeitig
werden auch die Landesjustizverwaltungen entlastet, welche über die
Stundungsregelung des § 4a InsO an der Finanzierung der Insolvenzverfahren
beteiligt sind.
Öffnung
des Planverfahrens für Verbraucherinsolvenzen
Zudem eröffnet der Entwurf das Insolvenzplanverfahren für das
Verbraucherinsolvenzverfahren, d.h. es wird den Gläubigern künftig möglich
sein, maßgeschneiderte Pläne zur Bewältigung der Verbraucherinsolvenz
auszuhandeln und in Gestalt eines Insolvenzplans zu beschließen. Da ein solcher
Plan auch vorsehen kann, dass der Schuldner von seinen restlichen
Verbindlichkeiten befreit wird (§ 227 Abs. 1 InsO), kann der Verbraucher in
diesen Fällen auch ohne das Durchlaufen eines Restschuldbefreiungsverfahrens in
den Genuss einer Entschuldung kommen.
Stärkung
der Gläubigerrechte
Die Wahrnehmung der Gläubigerrechte ist, gerade wenn es um die Erteilung der
Restschuldbefreiung geht, teilweise beschwerlich. Die praktischen
Schwierigkeiten führen dazu, dass zuweilen die Restschuldbefreiung erteilt
wird, obwohl Versagungsgründe vorliegen. Mit den Maßnahmen zur Stärkung der
Gläubigerrechte soll dies künftig verhindert werden. Unter anderem ermöglicht
das Gesetz zukünftig den Gläubigern, einen Antrag auf Versagung der
Restschuldbefreiung jederzeit schriftlich zu stellen. Ein solcher Antrag muss
spätestens im Schlusstermin vorliegen oder gestellt werden. Damit soll auch die
Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung unter den Gläubigern weiter
verbessert werden.
Schutz
von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften
Mitglieder
von Wohnungsgenossenschaften, die sich in der Insolvenz befinden, werden in
Zukunft vor dem Verlust der von ihnen genutzten Genossenschaftswohnung
geschützt. Bislang ist der Insolvenzverwalter gehalten, die Mitgliedschaft des
Schuldners in der Genossenschaft zu kündigen, um dessen Geschäftsguthaben zu
verwerten. Dies führt häufig zur Kündigung des Nutzungsverhältnisses, also zum
Verlust der Wohnung. Auf der anderen Seite soll die Neuregelung den Interessen
der Insolvenzgläubiger Rechnung tragen und verhindern, dass Schuldner ihr
Vermögen unbegrenzt als genossenschaftliches Geschäftsguthaben insolvenzfest
anlegen können. Künftig darf der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft des
Nutzers einer Genossenschaftswohnung nicht mehr kündigen, wenn das
Geschäftsguthaben nicht höher ist als das Vierfache des monatlichen
Nettonutzungsentgelts oder maximal 2.000 Euro.
Insolvenzfestigkeit
von Lizenzen
Der Referentenentwurf enthielt noch einen Vorschlag zur Behandlung von Lizenzen
in der Insolvenz des Lizenzgebers (§ 108a InsO-E). Dieser war schon seit dem
Regierungsentwurf nicht mehr enthalten.
Hinweis:
Das Bundeskabinett hatte bereits am 22. August 2007 einen Gesetzentwurf
beschlossen, mit dem das Insolvenzverfahren für Verbraucher reformiert werden
sollte. Dessen gänzlich abweichender Ansatz wurde im weiteren Verlauf aber
nicht weiter verfolgt. S. dazu:
Am
9. November 2012 hat der Bundestag die Entfristung des
"modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs" des § 19 Abs.
2 InsO beschlossen (durch Aufhebung von Art. 6 Abs. 3 des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes in Art. 18 des insoweit am 12.12. 2012 in
Kraft getretenen Gesetzes zur Einführung einer
Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess [BGBl 2012 I, 2418]). Nach
diesem durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom 17.10. 2008 zunächst
befristet eingeführten und seitdem zweimal verlängerten Überschuldungsbegriff
gilt ein Unternehmen nun auch weiterhin als nicht überschuldet, wenn seine
Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. In einem solchen
Fall einer positiven Fortführungsprognose ist mithin unerheblich, ob die
Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers noch von dessen (zu
Fortführungswerten bewerteten!) Vermögen gedeckt werden. Nur im Fall einer
negativen mittelfristigen Liquiditäts- und Fortführungsprognose kann
daher noch im Rechtssinne eine Überschuldung vorliegen (sofern die
Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers höher sind als dessen dann zu
Liquidationswerten (!) bewertetes Vermögen). Eine vom BMJ in Auftrag gegebenen
rechtstatsächliche Untersuchung (Bitter/Hommerich,
Die Zukunft des Überschuldungsbegriffs, Köln 2012) war nun zu dem Ergebnis
gekommen, dass die volkswirtschaftlichen Vorteile der in der Finanzkrise
getroffene Entscheidung, den Überschuldungsbegriff zu ändern, die Nachteile
klar überwogen hätten. Der alte Überschuldungsbegriff werde in der Praxis zudem
weitgehend für unpraktikabel gehalten. Die relative Mehrheit der befragten
Experten habe eine dauerhafte Beibehaltung des derzeit geltenden
Überschuldungsbegriffs befürwortet.
Mit
den am 5. Mai 2012 beschlossenen „Grundsätzen ordnungsgemäßer
Insolvenzverwaltung“ (GOI) hat der Verband
der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) seinen Mitgliedern neue
Maßstäbe für eine unabhängige, transparente und qualitativ anspruchsvolle
Insolvenzverwaltung vorgegeben. Mit diesen strengen und für alle VID-Mitglieder
verbindlichen Berufsregeln wird das Bemühen der VID-Mitglieder um eine sanierungsorientierte
Insolvenzverwaltung in Bezug auf die Fortführung und Sanierung der ihnen
anvertrauten Unternehmen noch weiter konkretisiert. Dabei werden mit den GOI
auch Maßstäbe zum Verhalten gegenüber den Gläubigern, Gerichten und
Arbeitnehmern gesetzt.
GOI
GOI mit Prüfungsordnung
GOI - FAQ
Bereits
2006 hatte der VID Berufsgrundsätze verabschiedet, die strenge Regeln für
Berufszugang und -ausübung festlegten. Diese lösten den im Jahr 2002
beschlossenen Verhaltenskodex ab. Ziel war es, eine hohe Qualität der
Insolvenzverwaltung im Interesse von Gläubigern und Arbeitsplätzen zu sichern.
Dabei sollten diese Berufsgrundsätze nicht nur eine Vorgabe für Mitglieder des
VID, sondern Grundlage einer jeden Insolvenzverwaltertätigkeit sein. Die
Berufsgrundsätze wurden im Jahr 2011 durch die Verabschiedung der „Grundsätze
ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung“ (GOI) präzisiert und erweitert.
Alle im VID zusammen geschlossenen
Insolvenzverwalter haben sich verpflichtet, eine Zertifizierung nach
„DIN EN ISO 9001 - 2008“ (ISO:9001) vorzunehmen. Der Nachweis über die
Erstzertifizierung, die jährlichen Audits sowie die alle drei Jahre
vorzunehmenden Nachzertifizierungen müssen gegenüber dem VID dokumentiert
werden. Kommen die VID-Mitglieder diesen Verpflichtungen nicht nach, droht
ihnen der Ausschluss aus dem VID. Wenn Insolvenzverwalter externe Dienstleister
für die Büroorganisation oder für Abwicklungstätigkeiten in Insolvenzverfahren
nutzen, müssen auch diese nach ISO:9001 zertifiziert sein.
Die
„Uhlenbruck-Empfehlungen“ (benannt nach einer von dem Kölner Insolvenzrichter
Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck geleiteten Kommission) formulieren klare Kriterien
zur Auswahl, Aufsicht und Bewertung von Insolvenzverwaltern. Damit wurde
erstmals ein Katalog entwickelt, der es Insolvenzgerichten ermöglichen soll,
für Insolvenzverfahren ausschließlich geeignete Insolvenzverwalter zu
identifizieren.
Am
1.12.2011 haben sich der VID, der Gravenbrucher
Kreis und das ZEFIS
im Rahmen eines gemeinsamen Treffens in Düsseldorf auf das weitere Vorgehen
zur Standardisierung eines Kontenrahmens geeinigt. Danach soll dieser
gemeinsame Kontenrahmen, der den Namen „SKR-InsO“ tragen wird und aus dem
bereits bekannten Datev -Kontenrahmen SKR–04
entwickelt wurde, in diesen Tagen an die Softwareanbieter übermittelt werden um
eine Übernahme in die Standard-Softwareprogramme zu ermöglichen. Änderungen
sollen von da ab nur noch mit Zustimmung aller drei Organisationen möglich sein.
Die weitere Besetzung des gemeinsamen Fachausschuss zur Fortentwicklung
(„Fachausschuss SKR-InsO“), dem in Zukunft auch Sachverständige aus dem Kreis
der Justiz und Schlussrechnungsprüfer angehören sollen, soll sich ebenfalls am
Prinzip der Einstimmigkeit orientieren.
SKR04-InsO Strukturhinweise
SKR04-InsO Übersicht
SKR04-InsO Gesamt
Der
Bundestag hat am 27. Oktober 2011 den Regierungsentwurf eines Gesetzes
zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in der vom
Rechtsausschuss am Vortag geänderten Fassung (BT-Drucks. 17/7511) angenommen. Die
Änderungen sind im Wesentlichen am 1. März 2012 in Kraft getreten.
Vom
Regierungsentwurf weicht der
Gesetzesbeschluss in einigen wesentlichen Punkten ab:
-
Streichung der Zuständigkeitskonzentration der Insolvenzgerichte
-
Streichung von § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 InsO-E, wonach die Unabhängigkeit
des Insolvenzverwalter nicht allein dadurch ausgeschlossen werden sollte, dass
er den Insolvenzplan erstellt hat
-
Angleichung der Schwellenwerte des § 22a InsO-neu an die Werte des § 267 Abs. 1
Nr. 1 - 3 HGB
-
Verschiebung des Inkrafttretens des Insolvenzstatistikgesetzes auf den 1.
Januar 2013
-
Einführung einer Regelung, die sicherstellen soll, dass die in der Praxis
üblichen Change-of-Control-Klauseln im Fall der Durchführung eines Debt-
Equity-Swaps oder einer anderen Kapitalmaßnahme nicht zur Anwendung kommen
-
die Einschränkung der dem Schuldner auferlegten Darlegungslasten bei einem
Eigenantrag
-
das Recht des vorläufigen Gläubigerausschusses, eine andere als die bestellte
Person zum Insolvenzverwalter zu wählen, wenn der Ausschuss im Vorfeld nicht
angehört wurde
-
Streichung der Privilegierung der Clearingstellen
-
Ermächtigung des Insolvenzverwalters zur Korrektur offensichtlicher Fehler des
Insolvenzplans
-
Einführung einer Regelung, wonach Austritte aus einer Gesellschaft, die auf
einem in einem Debt-Equity-Swap liegenden wichtigen Grund beruhen, keine den
Sanierungserfolg gefährdenden Abfindungsansprüche nach sich ziehen
-
Streichung der automatischen Beendigung einer Eigenverwaltung schon bei
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit
-
optionale Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den eigenverwaltenden
Schuldner auf entsprechende Ermächtigung des Insolvenzgerichts im künftigen
"Schutzschirmverfahren"
Das Bundeskabinett hatte das förmliche Gesetzgebungsverfahren am 23.2.2011
mit dem Regierungsentwurf eingeleitet. Zur
Begründung schrieb das Ministerium seinerzeit:
Gläubigerautonomie
Die Gläubigerautonomie insgesamt wird gestärkt. Deshalb wird die Möglichkeit
geschaffen, bereits im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss
einzusetzen, der bei bestimmten Unternehmen ein wichtiges Mitspracherecht bei
der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung hat.
Das Institut der Eigenverwaltung wird durch Umkehrung des
Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei den Verfahrensvoraussetzungen hervorgehoben:
Das Gericht wird dadurch gezwungen, sich ernsthafter als bisher mit den
Möglichkeiten der Eigenverwaltung auseinanderzusetzen. Befürwortet der
Gläubigerausschuss sie einhellig, soll das Gericht daran gebunden sein. Auch
bei der Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, die gemeinhin als
Schicksalsfrage des Verfahrens bezeichnet wird, wird dieser vorläufige
Gläubigerausschuss eingebunden werden. Die Beteiligung der Gläubiger wird aber
nicht nur zeitlich vorverlagert. Vorgaben des Ausschusses zur Person des
Verwalters – seine Eignung und Unabhängigkeit vorausgesetzt – sollen für den
Richter unter bestimmten Umständen bindend sein. Künftig wird das Gericht in
Insolvenzverfahren über Unternehmen, deren Betrieb noch nicht eingestellt ist
und die eine bestimmte Unternehmensgröße und damit eine gewisse wirtschaftliche
Bedeutung haben (gemessen an ihrem Umsatz, der Arbeitnehmerzahl bzw. der
Jahresbilanzsumme) verpflichtet, einen vorläufigen Gläubigerausschuss
einzuberufen. Besteht ein solcher vorläufiger Gläubigerausschuss und einigen
sich alle Mitglieder auf einen Verwalter, soll das Gericht hieran gebunden
sein.
Schutzschirmverfahren
Ein Schuldner wird zukünftig bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei
Überschuldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten in einer Art
„Schutzschirmverfahren“ unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei
von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan
auszuarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann. Das
Gericht soll nicht nur regelmäßig den vom Schuldner Vorgeschlagenen als
vorläufigen Sachwalter einsetzen, auf Antrag ist das Gericht dazu auch
verpflichtet, Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner zu untersagen oder
einstweilen einzustellen. Zudem darf es im Schutzschirmverfahren weder einen
vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen noch dem Schuldner die
Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entziehen.
Planverfahren
Darüber hinaus soll das Instrument des Planverfahrens ausgebaut werden. Der
Entwurf zielt durch eine moderate Beschränkung der Rechtsmittel gegen die
Planbestätigung darauf, dass einzelne Gläubiger nicht mehr in missbräuchlicher
Weise das Wirksamwerden des Plans verhindern können. Im Rahmen des
Planverfahrens können künftig als Sanierungsinstrument auch Forderungen von
Gläubigern in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden („dept-equity-swap“).
Die Einbindung dieses gesellschaftsrechtlichen Instruments in die
Insolvenzordnung verbessert die Sanierungschancen, da Widerstände von
Altgesellschaftern überwunden werden können.
Verjährungsfristen für verspätete Forderungen
Um zu vermeiden, dass Forderungen, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet
wurden und erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden, die
Finanzplanung nachträglich stören, hat der Schuldner künftig die Möglichkeit,
bei Vollstreckungsversuchen nach der Verfahrensaufhebung Vollstreckungsschutz
durch das Insolvenzgericht zu erhalten, wenn die geltend gemachte Forderung die
Durchführung des Insolvenzplans gefährdet. Zudem werden Verjährungsfristen für
verspätete Forderungen verkürzt: Ansprüche, die nicht bis zum Abstimmungstermin
angemeldet worden sind und mit denen deshalb nicht zu rechnen war, verjähren
künftig in einem Jahr.
Clearinghäuser
Der Gesetzentwurf stärkt außerdem die Position von Clearinghäusern, indem im
Interesse der Stabilität der Märkte sichergestellt wird, dass
Finanztransaktionen auch bei Insolvenz eines Teilnehmers geordnet zu Ende
gebracht werden können.
Konzentration
Die Reform sieht weiterhin eine zwingende Konzentration der gerichtlichen
Zuständigkeiten für Insolvenzen auf maximal ein Insolvenzgericht pro
Landgerichtsbezirk vor, dies gilt zukünftig sowohl für Unternehmens- als auch
für Verbraucherinsolvenz- und sonstige Kleinverfahren.
Insolvenzstatistik
Schließlich wird das Recht der Insolvenzstatistik neu geordnet, damit in
Zukunft belastbare Angaben über die finanziellen Ergebnisse und den Ausgang von
Insolvenzverfahren vorliegen.
(Quelle: PM)
ESUG-Materialien
im Überblick:
Letzte
durch den Rechtsausschuss geänderte Fassung vom 26.10.2011 (BT-Drucks. 17/7511)
Beschlussempfehlung
der Ausschüsse des Bundesrats
Bundesrat,
Empfehlungen der Ausschüsse vom 5.4.2011, BR-Drs.
127/1/11
Stellungnahme
des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichtung
der Sanierung von Unternehmen vom 15.4. 2011, BR-Drs.
127/11 (Beschluss)
Plenarprotokoll
der 882. Sitzung des Bundesrates vom 15.4.2011, S. 203 (D) bis 207
(C) und 216 (D) bis 218 (B)
Regierungsentwurf
eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BR-Drs.
127/11
Zusammenstellung
der Materialien (Bundestag)
Zusammenstellung
der Äußerungen der Verbände (BGH)
Stellungnahmen der Sachverständigen bei der öffentlichen Anhörung des
Rechtsausschusses am 29. Juni 2011: B. Brenner, Prof. Dr. H. Haarmeyer,
Dr. Petra Hilgers, Prof. Dr. Heribert Hirte, Dr. Christoph Niering, Prof. Dr. Christian C.-W. Pleister, Dr. Dietmar Rendels, Oliver Sporré, Dr. Nils G. Weiland
Im
Rahmen des "Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung" hat der
Deutsche Bundestag am 7. Juli 2011 ohne viel Aufhebens die Bestimmung
des § 7 InsO
aufgehoben. Damit entfällt die Möglichkeit der zulassungsfreien
Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. In Zukunft wird es nur in den Fällen
einen Weg nach Karlsruhe geben, in denen das Landgericht die Rechtsbeschwerde
zulässt. Eine Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz nicht vor.
Beschlussempfehlung und Beschluss des
Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/6406)
Aufgrund
der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.
Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie)
sind Anpassungen bezüglich der Verfahren der Berufszulassung zu den
rechtsberatenden Berufen erforderlich, darunter die Bestellung von
Insolvenzverwaltern. Dem bislang vorliegende Referentenentwurf zufolge
sollen für das Verfahren zur Aufnahme in die bei den Insolvenzgerichten
geführten Vorauswahllisten für Insolvenzverwalter Entscheidungsfristen
eingeführt sowie die Abwicklung des Verfahrens über den so genannten
"einheitlichen Ansprechpartner" als Verfahrensmittler
ermöglicht werden.
Referentenentwurf mit Empfehlungen des Ausschüsse des BR und des Bundesrats
Literatur:
Slopek, Viel Lärm um nichts: Die (Be)
Stellung des Insolvenzverwalters und die Dienstleistungsrichtlinie, ZInsO 2008,
1243
Frind, Geister, die ich rief - Zur Notwendigkeit, EU-Bewerbungen zum Zugang für
das Insolvenzverwalteramt zu regeln, ZInsO 2009, 1678
Frind, Zulassungsordnung für Verwalter - cui bono?, ZInsO 2009, 1997
Für eine leistungsorientierte Insolvenzverwalterauswahl - Gegen Nivellierung
durch Bürokratisierung! - Gemeinsamer Aufruf von Insolvenzrichtern,
Insolvenzverwaltern, Gläubigervertretern und Wissenschaftlern, ZInsO 2009, 1950
Der
Bundestag hat am 28. Oktober 2010 das Gesetz zur
Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung
eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der
Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz)
beschlossen. Damit werden Eckpunkte zur Bankenrettung umgesetzt, die das
Bundeskabinett am 31. März 2010 beschlossen hatte. Der Gesetzentwurf soll
sicherstellen, dass Bankinstitute weit unterhalb der Schwelle der Enteignung in
einem geordneten Verfahren frühzeitig saniert werden können.
Das
Gesetz setzt auf Privatautonomie und stärkt die Eigenverantwortung der
Unternehmer. Das Modell bietet die Chance, eigenverantwortlich und zunächst
ohne Eingriffe in Aktionärsrechte die Sanierung des Kreditinstituts
einzuleiten. Unter strengen Voraussetzungen können einem weiteren Schritt auch
Anteilseigner in die Sanierung einbezogen werden, um eine erfolgreiche
Reorganisation sicherzustellen. Durch die Umwandlung von Forderungen in
Eigenkapital werden sie aber in keiner Weise enteignet. Ihre Vermögensinteressen
werden gewahrt und sie können sich aktiv an der Sanierung beteiligen. In der
Marktwirtschaft sind vorrangig die Unternehmensbeteiligten für die Sanierung
ihrer Unternehmen verantwortlich. Das neue Reorganisationsverfahren bietet
einen Rahmen für kollektive Verhandlungslösungen und schiebt
Blockademöglichkeiten einzelner Anteilsinhaber einen Riegel vor.
Im
Einzelnen:
Bankenrestrukturierung:
Das
Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur
Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur
Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung
(Restrukturierungsgesetz) stellt ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem
unter Vermeidung von Enteignungen die Schieflage einer systemrelevanten Bank
ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems bewältigt werden kann. Zudem
wird dafür Sorge getragen wird, dass Eigen- und Fremdkapitalgeber die Kosten
der Insolvenzbewältigung so weit wie möglich selbst tragen.
Aus
ordnungspolitischen Erwägungen sollten staatliche Eingriffe dann und nur dann
Platz greifen, wenn es den Beteiligten nicht gelingt, im Wege von Verhandlungen
eine angemessene Bewältigung der Krise zu erreichen. Das in Artikel 1 des
Entwurfs enthaltene Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG-E) sieht daher mit Sanierungsverfahren und
Reorganisationsverfahren ein zweistufiges Verfahren vor, das einen effektiven
Rahmen für kollektive Verhandlungslösungen schaffen soll. Das Verfahren wird
ausschließlich auf Initiative des Kreditinstituts selbst eingeleitet und dient
der eigenverantwortlichen Krisenbewältigung.
Auf
erster Stufe steht ein Sanierungsverfahren, mit dem die wirtschaftlichen
Schwierigkeiten durch frühes und entschiedenes Handeln ohne Eingriffe in
Drittrechte auf der Ebene der Geschäftsführung bewältigt werden können. Das auf
zweiter Stufe stehende Reorganisationsverfahren orientiert sich grundsätzlich
an dem bekannten Insolvenzplanverfahren. In dieser Verfahrensstufe können neben
den Gläubigern unter strengen Voraussetzungen auch die Anteilseigner einbezogen
werden, damit sie einen erfolgversprechenden Reorganisationsplan nicht
vereiteln können. Sie werden jedoch nicht enteignet, sondern nehmen als eigene
Abstimmungsgruppe aktiv am Planverfahren teil und können so ihre
Vermögensinteressen wahren. Insgesamt stellen Sanierungs- und
Reorganisationsverfahren damit ein breites Instrumentarium zur Verfügung, von
dem je nach den Umständen des Einzelfalls unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht werden kann.
Sind
die Beteiligten nicht bereit, aktiv an einer Reorganisation des Kreditinstituts
mitzuwirken oder bieten ihre Sanierungsbemühungen keine Gewähr für die
Abwendung der Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems, sind staatliche
Eingriffe zur Abwendung dieser Gefahren notwendig. Dies ist nicht zuletzt
deshalb erforderlich, weil verhindert werden muss, dass die privaten Akteure
eine Verhandlungslösung in der Erwartung scheitern lassen, dass der Staat
ohnehin einspringen wird, um die unerwünschten gesamtwirtschaftlichen Schäden
abzuwenden. Es muss daher möglich sein, die zur Abwendung der Gefahren für die
Stabilität des Finanzsystems erforderlichen Maßnahmen auch gegen den Willen des
Instituts und der an ihm beteiligten Anteilsinhaber ergreifen zu können.
Die
hierfür erforderlichen aufsichtsrechtlichen Eingriffsinstrumentarien stellt
Artikel 2 des Restrukturierungsgesetzes zur Verfügung. Die dort vorgesehenen
Änderungen des Kreditwesengesetzes werden es der BaFin erlauben, die
systemrelevanten Teile und Funktionen des Instituts von den Folgen einer
bevorstehenden Insolvenz abzuschotten, sofern dies zur Verhinderung negativer
Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzmarktes erforderlich ist. Die
Abschottung der systemrelevanten Unternehmensteile von den Insolvenzfolgen
erfolgt durch eine Übertragung auf einen anderen Rechtsträger. In dieser
Übertragung liegt keine Enteignung. Die Aktionäre des notleidenden Instituts
behalten weiterhin ihre Aktien. Für die übertragenen systemrelevanten
Unternehmensteile erhält dieses Institut Aktien an dem übernehmenden
Rechtsträger, so dass sowohl das Institut als auch dessen Anteilsinhaber an den
übertragenen Unternehmensteilen beteiligt bleiben.
Bankenabgabe:
Die
Rettung systemrelevanter Banken darf nicht allein auf Kosten der Steuerzahler
gehen. Die Kreditwirtschaft muss durch die Bankenabgabe ihren Beitrag zur
Bekämpfung künftiger Krisen und zur Restrukturierung von systemrelevanten
Banken leisten. Durch die Bankenabgabe wird zum einen die künftige Haftung des
deutschen Steuerzahlers begrenzt. Zum anderen liefert sie einen wichtigen
Beitrag zur Krisenprävention, indem die Beitragsbemessung am jeweiligen
systemischen Risiko eines Kreditinstituts ausgerichtet ist.
Verlängerung
von Verjährungsfristen: Schließlich sollen die Verjährungsfristen für die Haftung
von Vorständen und Aufsichtsräten von börsennotierten Aktiengesellschaften von
fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Die Verlängerung der Verjährungsfrist
sorgt dafür, dass für die Durchsetzung von Ersatzansprüchen bei
Managementfehlern genügend Zeit bleibt, auch wenn Ansprüche erst spät bekannt
werden oder sich erst personell neu aufgestellte Gesellschaftsorgane zur
Durchsetzung entscheiden. Die Finanzmarktkrise kann so sorgfältig und in Ruhe
aufgearbeitet werden. (Quelle: PM)
Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT
17/3024)
Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der
Bundesregierung (BT 17/3362)
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT 17/3407)
Presse:
FAZ: Banken – Ein Rettungsnetz
über 70 Milliarden Euro (28.10.10)
Compliance
Magazin: Rettung systemrelevanter Banken
Literatur:
Pannen, Das geplante Restrukturierungsgesetz für Kreditinstitute, ZInsO 2010,
2026
Obermüller/Kuder, Die Entwicklung der Gesetzgebung zu Bankinsolvenzen, ZInsO
2010, 2016
Frind, Restrukturierungs-Gesetz-Entwurf: Weniger wäre manchmal mehr, ZInsO
2010, 1921